Franz Schmidt: Symphonien Nrn. 1-4 + Intermezzo und Karnevalsmusik aus der Oper Notre Dame, BBC National Orchestra of Wales, Jonathan Berman; # Accentus ACC805444; Aufnahmen 2020 - 2022, Veröffentlichung 01.12.2023 (3h29) – Rezension von Pál Körtefa

Jetzt liegt die Gesamtaufnahme der vier Symphonien von Franz Schmidt mit dem Dirigenten Jonathan Berman und dem BBC National Orchestra of Wales vor. Dazu haben sie noch das Intermezzo und die Karnevalsmusik aus der Oper Notre Dame eingespielt. Begleitet wird die Musik von einem umfangreichen Begleitheft, bei dem neben Informationen zu den Werken auch ein umfangreiches Interview mit dem Dirigenten zu seinem Zugang zu Franz Schmidt erhellend beisteuert.

In Wien beim Publikum ebenso beliebt wie die Symphonien von Bruckner, ist die Musik von Schmidt über die Landesgrenzen hinaus immer noch nicht sehr bekannt, trotz einiger Einspielungen. Mit seiner modern anmutenden Musik, die doch auch spätromantisch bleibt, sollte er eigentlich auf ein breiteres Interesse stoßen. Die erste Symphonie hatte hier schon Beachtung gefunden.

Die zweite, wegen ihrer Form mit drei Sätzen, Präludium, Variationen mit Scherzo und Koda, nicht überall begeistert aufgenommen, verklammert die Sätze thematisch. Das Werk bietet eine große Besetzung, beispielsweise mit fünf Klarinetten und acht Hörnern. Von der Klangfülle lebt etwa der erste Satz. Gleichzeitig handhabt Schmidt die instrumentalen Massen im zweiten Satz subtil, indem je Variation andere Orchestergruppen agieren. Die Gegensätze macht die Interpretation von Berman und dem Orchester aus Wales unschwer deutlich. Im ersten Satz noch markant und kraftvoll, aber nie unkontrolliert agierend, bieten sie im zweiten mit Sorgfalt eingehegte Höreindrücke bis hin zu kammermusikalisch Verfeinertem und lassen dabei auch die lyrischen Seiten anklingen. Den dritten Satz entwickeln die Musiker aus einem ruhigen Beginn heraus bis zu dem wirbelnden Schluss und zeigen, dass sie die Musik angemessen umsetzen können, auch wenn die Partituren herausfordernd sind.

Im heiteren Grundton mit dunklen Einsprengseln zeigt sie dritte Symphonie die harmonische Modernität des Komponisten, lässt aber die Brüche wie bei Mahler aus, und rankt auch im zweiten Satz harmonisch komplex. Diese Verästelungen kommen in der Darbietung des Orchesters aus Wales deutlich zum Ausdruck. Volkstümlich dagegen bieten sie das Scherzo an. Man meint hier Bruckner im Hintergrund wahrzunehmen, ganz so wie es der Komponist angelegt hat. Mit leichten dunklen Reminiszenzen aus den frühen Sätzen wird das Finale trotzdem zu einem hüpfenden Tanz. Auch diese Entwicklung stellen die BBC Künstler mit Nachdruck dar.

Die vierte Symphonie ist eine Beschäftigung mit dem Leben. Der Tod der Tochter wird nur im zweiten Satz erkennbar, den Schmidt selber als Requiem gesehen hat, doch auch im Scherzo hält der Schmerz an. Im Finale zieht das Leben noch einmal vorbei. Trotz dieser düsteren Botschaft ist die Symphonie heute die beliebteste des Komponisten. Das Orchester unter Jonathan Berman bringt die in dieser Musik verarbeiteten persönlichen Gedanken mit einer intensiven und ruhig sich entfaltenden Lesart ansprechend zu Gehör.

Bei Intermezzo und Karnevalsmusik aus der Oper Notre Dame handelt es sich um Musik, die laut Partitur sehr leidenschaftlich gespielt werden soll. Das gelingt den Beteiligten mit fein ausgesponnenem musikalischem Faden und Hingabe ganz außerordentlich. So erklingt im Ganzen gesehen eine geschlossene Sicht auf die Musik der Franz Schmidt.

The complete recording of Franz Schmidt’s four symphonies with conductor Jonathan Berman and the BBC National Orchestra of Wales is now available. They have also recorded the Intermezzo and the carnival music from the opera Notre Dame. The music is accompanied by a comprehensive booklet, which includes information on the works as well as an extensive interview with the conductor on his approach to Franz Schmidt.

Just as popular with audiences in Vienna as Bruckner’s symphonies, Schmidt’s music is still not very well known beyond the country’s borders, despite several recordings. With his seemingly modern music, which nevertheless remains late-romantic, he should actually meet with wider interest. The first symphony has already attracted attention here.

The second, not always enthusiastically received due to its form with three movements, prelude, variations with scherzo and coda, links the movements thematically. The work features a large orchestration, for example with five clarinets and eight horns. The first movement, for example, thrives on the fullness of sound. At the same time, Schmidt handles the instrumental masses in the second movement subtly, with different orchestral groups playing each variation. The contrasts are easy to hear in the interpretation by Berman and the orchestra from Wales. While the first movement is still striking and powerful, but never uncontrolled, in the second they offer carefully restrained auditory impressions through to chamber music-like refinement, while also allowing the lyrical aspects to be heard. The musicians develop the third movement from a quiet beginning to the whirling conclusion and show that they can realize the music appropriately, even if the scores are challenging.

In its cheerful basic tone with dark interludes, the third symphony shows the composer’s harmonic modernity, but omits the breaks as in Mahler, and is also harmonically complex in the second movement. These ramifications are clearly expressed in the performance of the orchestra from Wales. In contrast, they offer the Scherzo in a folk-like manner. You can sense Bruckner in the background here, just as the composer intended. With slight dark reminiscences from the early movements, the finale nevertheless becomes a bouncing dance. The BBC artists also portray this development with emphasis.

The fourth symphony is a preoccupation with life. The daughter’s death is only recognizable in the second movement, which Schmidt himself saw as a requiem, but the pain continues in the scherzo. In the finale, life passes by once again. Despite this sombre message, the symphony is the composer’s most popular today. The orchestra under Jonathan Berman brings the personal thoughts expressed in this music to life with an intense and calmly unfolding reading.

Intermezzo and Carnival Music from the opera « Notre Dame » is music that, according to the score, should be played with great passion. The participants succeed in doing this extraordinarily well with a finely spun musical thread and dedication. The overall result is a cohesive view of the music of Franz Schmidt.

Franz Schmidt aus Wales

 

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