Alfred Schnittke: Anniversary Edition; Dedication to Igor Stravinsky, Sergei Prokofiev & Dmitri Shostakovich + Sonata No. 2 (Quasi una Sonata) für Violine & Klavier + Klavierquintett, Op. 108 + Konzert für Klavier und Streicher (1979) + Concerto Grosso No. 4 (Symphonie Nr. 5) + Violinkonzert Nr. 4; Alexander Bakhchiev, Viktoria Postnikova, Gennady Rozhdestvensky, Klavier, Vladimir Skanavi, Liana Isakadze, Eliso Virsaladze, Gidon Kremer, Violine, Vladimir Krainev, Klavier, Gennady Rozhdestvensky, Dmitri Kitajenko; 2 CDs Melodiya MELCD1002630; Aufnahmen 1977-1990, Veröffentlichung 05/2020 (144') - Rezension von Remy Franck
Etwas verspätet ehrt Melodiya Alfred Schnittke (1934-1998) zu seinem 85. Geburtstag. Die Ehrung eines der bedeutendsten Komponisten des XX. Jahrhunderts ist dennoch zu begrüßen, obwohl er sehr gut im Schallplattenkatalog vertreten ist. Immerhin aber handelt es sich hier um Aufnahmen, die bislang nicht auf CD verfügbar waren.
Die erste CD beinhaltet eine mit spürbarem Engagement interpretierte Version des Klavierwerks zu sechs Händen, Dedication to Stravinsky, Prokofiev und Shostakovich. Es ist ein lustiges und unbändig überdrehtes Stück, das brillant gespielt wird.
Von der Violinsonate Nr. 2, die Schnittke ‘Quasi una Sonata’ untertitelte – sie sei, so der Komponist, « ein Bericht über die Unmöglichkeit der Sonate in Form einer Sonate » – verlangt von den Musikern ein extrem hohes technisches Können und vom Zuhörer ein gewisses Stehvermögen in atonaler Musik.
Das Quintett ist eines der wichtigsten Werke von Schnittke. Es entstand nach dem Tod seiner Mutter und Shostakovichs und ist also eine doppelte Hommage. Die dunkle, aber berührende Musik enthält auch schroffere Töne und Akzente. Dissonanzen vermischen sich mit Walzerklängen, emotionsgeladene Passagen und tonale Melodien stehen einem brutalen Totentanz gegenüber. Schnittke erweist sich in diesem 1972 komponierten Werk als ein absoluter Meister. Wie in Shostakovichs Quintett, zu dem es mehrere Parallelen gibt, klingt das ebenfalls fünfsätzige Werk mit einem ruhigen, versöhnlichen Schluss aus. Es ist hier in einer mustergültigen Interpretation zu hören.
In vielen der Werke von Alfred Schnittke begegnen wir einer sehr expressiven Musik, die mit ihren Sprüngen, ihren Stürzen, ihren Faustschlägen, ihrer Revolte über erlittene Demütigungen, ihren Musik gewordenen Katastrophen oft eine ungewöhnliche Härte zeigt. Das gilt für das Konzert für Klavier und Streichorchester aus dem Jahre 1979. Der Klavierklang ist eingetaucht in eine ungemein raffinierte Streicher-Klangwelt, das Werk ist formal faszinierend, aber vor allem eindrucksvoll durch die einmalige Expressivität des Komponisten. Vladimir Krainev spielt sehr suggestiv, mit viel Ausdruckskraft, herb, aber auch sensibel, und kontrastreich. Der Dirigent Dmitrij Kitajenko, der hier die Streichersolisten der Moskauer Philharmoniker dirigiert, begleitet den Pianisten aus tiefer Werkkenntnis heraus.
Die Aufnahme ist tadellos und daher ganz klar empfehlenswert.
Auf der zweiten CD ist das von Rozhdestvensky dirigierte (und auch mit einer Ansprache eingeleitete) Concerto Grosso Nr. 4 zu hören, eine Auftragskomposition des Concertgebouw Orkest aus Amsterdam. Die Komposition ist eine Synthese von Ideen aus Schnittkes früheren Werken. Der erste Satz ist das eigentliche Concerto Grosso, mit Soli für Violine, Oboe und Cembalo. Der zweite Satz ist die Ausarbeitung eines Jugendstücks von Gustav Mahler: ein unvollendetes Klavierquartett, das der jugendliche Mahler 1876 begann. Der dritte Satz ist heftig und bricht abrupt ab, um Platz zu schaffen für einen Trauermarsch.
Als Kompositionsauftrag der 34. Berliner Festwochen wurde das Vierte Violinkonzert 1984 komponiert und von Gidon Kremer uraufgeführt, dem das Werk gewidmet ist, und der es auch in dieser spannenden Aufnahme mit Rozhdestvensky als Dirigent spielt.
Melodiya honours Alfred Schnittke (1934-1998) for his 85th birthday which was in 2019. The tribute to one of the most important composers of the XXth century is nevertheless to be welcomed, although he is already very well represented in the recording catalogues. We must say however that these newly released recordings that have not yet been available on CD before.
The first CD contains a thrilling version of the piano work for six hands, Dedication to Stravinsky, Prokofiev and Shostakovich. The Violin Sonata No. 2, which Schnittke subtitled Quasi una Sonata, is, according to the composer, « an account of the impossibility of the sonata in the form of a sonata ». It is technically demanding, and from the listener it requires a certain stamina in atonal music.
The Quintet is one of Schnittke’s most important works. It was written after the death of his mother and the one of Shostakovich, and is therefore a double homage. The work is deeply emotional with more calm and some abrupt passages. Dissonances mix with waltz sounds, sensitive passages and melodies are contrasted with a brutal dance of death. Schnittke proves himself to be an absolute master in this work, composed in 1972. As in Shostakovich’s Quintet, which is also in five movements, the music ends with a calm, conciliatory conclusion. The performance is outstanding.
In many of Alfred Schnittke’s works we encounter a very expressive music. This applies to the Concerto for Piano and String Orchestra from 1979: the piano sound is immersed in an immensely refined string sound world, the work is formally fascinating, but above all it is impressive because of the composer’s unique expressiveness. Vladimir Krainev’s playing is very suggestive, with a lot of poignancy and contrast, harsh, but also sensitive passages. The accompaniment by the strings of the Moscow Philharmonic under Dmitrij Kitajenko is most impressive too.
The second CD features the Concerto Grosso No. 4 conducted by Rozhdestvensky, a composition commissioned by the Concertgebouw Orkest. It is a synthesis of ideas from Schnittke’s earlier works. The first movement is the Concerto Grosso, with solos for violin, oboe and harpsichord. The second movement is the elaboration of a youth piece by Gustav Mahler: an unfinished piano quartet which the young Mahler began in 1876. The third movement is violent and breaks off abruptly to make room for a funeral march.
Commissioned by the 34th Berliner Festwochen, the Fourth Violin Concerto was composed in 1984 and performed by Gidon Kremer, to whom the work is dedicated, and who also plays it in this exciting recording with Rozhdestvensky as conductor.