Das Violinkonzert von Stravinsky ist mit weniger als 25 Minuten Spielzeit als Einzelwerk für eine CD ungeeignet. Viele Solisten nehmen es zusammen mit einem anderen Violinkonzert auf. Isabelle Faust geht einen anderen Weg und stellt es an die Seite von Kammermusik des Komponisten, in denen die Violine eine herausragende Rolle spielt. Mit François-Xavier Roth und seinem Ensemble Les Siècles decken sie sehr unterschiedliche Schichten auf. Insbesondere schaffen sie vitale Klangbilder. Als Beispiel sei die Pastorale genannt. Sie trug den Titel ‘Chant sans paroles’, weil sie nur auf einen Doppelvokal gesungen wurde. 1933 wurde in einer Bearbeitung die Singstimme auf eine Solovioline übertragen. Stravinsky selber hatte schon zehn Jahre zuvor die Klavierstimme für Bläserquartett bearbeitet. Der Reiz ergibt sich aus der Kombination einer Wiegenlied-Melodie mit einem Dudelsackbass. Darüber hinaus wird in dieser Übertragung der Einfluss der französischen neoklassizistischen Prägung hörbar.
Die Einspielung kann man wie eine mehrgängige Speisekarte hören mit dem Konzert als Hauptgericht, sowohl nach Besetzungsgröße wie auch Dauer sowie kleinere Gerichte in kleiner Besetzung davor und danach. Ob Pastorale und Doppelkanon dabei als süße Desserts gehört werden, hängt vom persönlichen Geschmackssinn ab.
Im Konzert zeigen Faust und Roth mit Les Siècles einmal mehr, dass historische Instrumente auch bei Stravinsky zu einem wunderbar durchsichtigen Hörerlebnis führen, das nuanciert Farben, Klarheit und Transparenz neu transportiert. Damit erzielen sie etwa in der Aria II durchaus auch beißende Klänge. Vornehmlich aber erzeugen sie mit klangsensibel gestaltetem Ansatz luzide Höreindrücke, die mit Energie gepaart sind. Daraus erschaffen sie eine quirlig farbenreiche Interpretation.
Diese Durchsichtigkeit im Klangbild tritt umso mehr in den begleitenden fünf Werken für kleine Besetzung hervor. Mit Mitgliedern von Les Siècles hat sich Isabelle Faust diese Stücke für Violine und andere Instrumente, vorwiegend weitere Streicher, aufs Pult gelegt. Diese kurzen Panoramen füllen sie mit prallem Leben. So zeigen sie in den 3 Stücken für Streichquartett das vom Komponisten beabsichtigte Groteske deutlich auf.
With less than 25 minutes Stravinsky’s Violin Concerto is unsuitable as a single work for a CD. Many soloists record it together with another violin concerto. Isabelle Faust takes a different approach, placing it alongside chamber music by the composer in which the violin plays a prominent role. With François-Xavier Roth and his ensemble Les Siècles, they uncover very different layers. In particular, they create vital sound pictures. As an example, consider the Pastorale. It was titled ‘Chant sans paroles’ because it was sung on only one double vowel. In 1933, in an arrangement, the vocal part was transferred to a solo violin; Stravinsky himself had already arranged the piano part for wind quartet ten years earlier. The appeal comes from the combination of a lullaby melody with a bagpipe bass. Moreover, the influence of the French neoclassical style is audible in this transcription.
The recording can be heard like a multi-course menu with the concerto as the main dish. Whether the pastorale and double canon are heard as sweet desserts depends on one’s personal sense of taste.
In the concert, Faust and Roth demonstrate once again with Les Siècles that period instruments also lead to a wonderfully transparent listening experience with Stravinsky, which conveys nuanced colors, clarity and transparency in a new way. In the Aria II, for example, they also achieve biting sounds. Primarily, however, they create lucid auditory impressions that are paired with energy with a sound-sensitive approach. From this they create a lively and colorful interpretation.
This transparency of sound is all the more evident in the accompanying five works for small ensemble. With members of Les Siecles, Isabelle Faust has put these pieces for violin and other instruments, mainly other strings, on the podium. They nevertheless fill these short panoramas with plump life. Thus, in the 3 pieces for string quartet, they clearly show the grotesque intended by the composer.