Kaum ein Takt blieb unangetastet, als Richard Wagner 1847 die 1774 in Paris uraufgeführte Oper ‘Iphigénie en Aulide’ überarbeitete und aus Christoph Willibald Glucks Prunkoper ein kohärentes musikalisches Psychodrama machte. Der Musikwissenschaftler Kirchmeyer sagte denn auch: « Am Ende ließ sich fragen, ob der Anteil Wagners an dieser Oper nicht ebenso groß sei wie der Glucks. »
Keine Nummernoper war es mehr, sondern ein durchgehend konzipiertes Operndrama. Aus Glucks Original wurden Figuren entfernt, Ballette gestrichen, nahtlose Übergänge geschaffen, der Schluss komplett modifiziert, die Instrumentation verändert, und Dirigent Christoph Spering ist von all dem recht begeistert: Die Oper um den griechischen Heerführer Agamemnon und seine älteste Tochter Iphigenie sei nach Wagners Eingriffen « viel zwingender und schlüssiger ».
Zur Umarbeitung des Orchesterparts sagt Spering: « Dazu trägt die Instrumentierung einen gewichtigen Teil bei; Wagner hat sie vollkommen im Sinne eines größeren romantischen Orchesters geändert, indem er den vollen Bläsersatz neu komponiert hat. Das allerdings nicht in einer Form, wie wir es beispielsweise in Mozarts Bearbeitungen von Händel-Oratorien oder Mendelssohns Einrichtungen von Händel oder Bach sehen, vielmehr hat er die Bläser dem im damaligen romantischen Orchester üblichen ‘normalen’ Bläsersatz angepasst. Selbst in die Streicherbesetzung hat er eingegriffen, indem er fast durchgehend die Bratschen verdoppelte und im Streichersatz die Stimmführungen änderte, um einen tragenderen romantischen Klang zu erreichen. Letztlich hat Wagner etwa zehn Prozent des Werkes neu komponiert. Natürlich nicht in diesem offensichtlich auffälligen Sinne, dass er dem Werk seine Harmonik überstülpt, sondern indem er den Stil Glucks mit seinem Personalstil verbindet. »
Nun lässt Spering aber sein Orchester durchaus nicht breit und romantisch-wagneranisch spielen, sondern er behandelt die Partitur mit dem Wissen eines Dirigenten, der von historischer Aufführungspraxis überzeugt ist. So schärft er (auf historischem Instrumentarium) die Farben und die Dynamik der Musik und lässt sie sehr dramatisch werden, so wie es Wagner ja auch gewollt hat.
Spering ist der Vollstrecker der Wagnerschen Ideen. Schade nur, dass nicht alle seine Sänger das so konsequent mitmachen. In dieser Hinsicht nämlich enttäuscht der etwas näselnd und wenig souverän wirkende Agamemnon von Oliver Zwarg doch sehr, und selbst die sehr gepflegt und warmherzig gesungene Iphigenia von Camilla Nylund könnte ich mir noch etwas expressiver vorstellen, so wie es Michelle Breedt als Klytämnestra macht. Ganz hervorragend ist Christian Elsner als Achilles.
Die Tonaufnahme ist von guter Qualität, und so kann man am Ende, trotz der gemachten Einschränkungen, diese Aufnahme empfehlen, nicht zuletzt weil es keine moderne Produktion der Gluck-Wagner-Fassung gibt und der Katalogwert damit sehr hoch ist.
Christoph Spering definitely was the conductor Wagner’s arrangement of Gluck’s Iphigenia had to wait for: he conveys every bit of the dramatic force of this score in an overall good recording in which Michelle Breedt and Christian Elsner are the best singers.