Die 24 Capricen für Violine solo von Nicolo Paganini fallen vermutlich den meisten ein, wenn man diese Zahl mit dem Wort Capricen verbindet. Es gibt aber auch andere, wie eben diese des französischen Geigers und Komponisten Jacques Pierre Joseph Rode, der um die Wende zum 19. Jahrhundert lebte. Zwischen 1814 und 1819 war Rode in Berlin, wo er auch diese Capricen schuf. Damit war er mit seinem Zyklus dem von Paganini einige Jahre voraus.
Da diese Werke seltener zu hören sind, hat sich ihr Klang noch nicht so dem Ohr eingeprägt. Trotzdem stellen auch sie ein volles Kompendium des Durchgangs durch die Tonarten und unterschiedlichste geigerische Anforderungen dar. Da sie im Untertitel die Bemerkung ‘im Stile einer Etüde’ tragen, mag das bei manchem auch eine gewisse Abneigung erzeugen.
Roksana Kwasnikowska legt nun ihre Sicht auf die Werke vor. Dabei darf man konstatieren, dass sie das handwerkliche Vermögen hat, diese Stücke mit leicht klingender Hand zu Gehör zu bringen und so den Eindruck zu vermitteln, dass es keine technischen Herausforderungen zu bewältigen gibt. Das gelingt vorzüglich. Daneben steht der Aspekt, wie musikalisch ihr Ansatz ist. Auch hier darf man sagen, dass sie den Zuhörer anregend mitnimmt und nicht etwas mit schulmeisterlichem Spiel, wie es bei Etüden denkbar wäre, auftritt. Kleine Schärfen im Ton mögen eher auf das Instrument oder die Aufnahme als die Solistin zurückzuführen sein. Im Übrigen gefällt ihr Spiel mit klangvollem Ton und gestalterischer Linienzeichnung.
Ergänzend zu den Aufnahmen etwa von Axel Strauss und Alexander Shumsky liefert sie mit ihrer Interpretation kleine Geschichten. Strauss und Shumsky laden ihre Erzählungen mit mehr Gestaltung auf. Nimmt man etwa die 23. Caprice in F-Dur, so setzt Kwasnikowska bei den Akzenten deutlichste Marken, die dann schon wie kleine Haltepunkte wirken. Strauss lässt diese Markierungen eleganter einfließen und Shumsky legt mehr Wert auf den zu gestaltenden Bogen als die Betonung. Auch in der letzten Caprice in d-Moll erzielt vor allem Shumsky mit deutlich machenden Abschnittspausen und auch nach vorne drängenden Passagen eine lebendigere Struktur.
The 24 caprices for solo violin by Nicolo Paganini probably come to most people’s minds when they associate this number with the word caprice. But there are others, such as this one by the French violinist and composer Jacques Pierre Joseph Rode, who lived at the turn of the 19th century. Between 1814 and 1819, Rode lived in Berlin, where he also created these caprices. Thus, his cycle was several years ahead of Paganini’s.
Since these works are seldom heard, their sound has not yet become so impressed on the ear. Nevertheless, they too represent a full compendium of passage through the keys and the most varied violinistic demands. Since they bear the remark ‘in the style of an étude’ in the subtitle, this may also create a certain aversion in some.
Roksana Kwasnikowska now presents her view of the works. One may state that she has the technical ability to bring these pieces to the ear with a light-sounding hand and thus to give the impression that there are no technical challenges to overcome. This succeeds excellently. Alongside this is the aspect of how musical her approach is. Here, too, it may be said that she carries the listener along in a stimulating way and does not appear somewhat with schoolmasterly playing, as might be conceivable in etudes. Small sharp sounds may be due to the instrument or the recording rather than the soloist. For the rest, her playing is pleasing with sonorous tone and shapely line drawing.
Complementing the recordings of Axel Strauss and Alexander Shumsky, for example, she delivers little stories with her interpretation. Strauss and Shumsky charge their narratives with more design. If one takes the 23rd Caprice in F major, for example, Kwasnikowska sets the clearest marks in the accents, which then already seem like small stopping points. Strauss lets these marks flow in more elegantly, and Shumsky places more emphasis on the arc to be formed than on the emphasis. In the last Caprice in D minor, too, Shumsky in particular achieves a livelier structure with clearly marked section pauses and passages that push forward.