‘Sei solo a violino’ – Bachs Titel seiner Solopartiten und – Sonaten könnte man, frei aus dem Italienischen übersetzt, durchaus als Drohung empfinden: « Du bist alleine mit deiner Geige ». Und zur Vervollständigung wäre hinzuzufügen: « Sieh zu, dass du zurecht kommst ». Nicht ohne Grund zählen BWV 1001 bis 1006 zu den grössten Herausforderungen für jeden Geiger, weil Bach auf den schmalen vier Saiten ein ganzes Universum unterbringt.Natürlich lässt er dem jeweiligen Interpreten viel Freiheit im Umgang mit dem Material. Kann er diese aber auch nutzen? Ist nicht gerade diese Freiheit das größte Hemmnis?
Nicht für Christoph Schickedanz. Er kniet sich mit Leib und Seele in diese Musik oder – um es weniger poetisch auszudrücken – er packt den Stier bei den Hörnern.
Auf Faksimile-Bildern erkennt man den kräftigen Tintenstrich, mit dem Bach die Partiten und Sonaten komponiert hat. Diesen Strich überträgt Christoph Schickedanz auf seinen Bogen, ohne jedoch das technisch Filigrane zu übertünchen. Klang und Technik gelten jedoch nichts, wenn der musikalische Gedanken fehlt. Das ist bei dieser Aufnahme deutlich spürbar nicht der Fall. Christoph Schickedanz lässt die Musik tanzen, wo Bach eine Tanzform schreibt. Er lässt sie atmen, wo die Rhetorik dies verlangt. Er spielt poetisch und einfühlsam, wenn der Spannungsbogen dies erfordert. Obwohl uns natürlich bewusst ist, dass die Aufnahme nicht in einem Take entstanden ist, bleibt es dennoch zu bewundern, wie der Violinist während über zwei Stunden Spielzeit den Spannungsbogen hochhält.