Alexandre Tansman (1897-1986), Neoklassiker mit manchmal scriabineskem Einschlag, ist ein immer noch zu wenig bekannter Komponist. Und doch war er zu Lebzeiten sehr geschätzt und ein Mann von Welt, der mit Herrschern und Politikern (Mahatma Gandhi, Kaiser Hirohito) ebenso Kontakt hatte wie mit Persönlichkeiten wie Charles Chaplin oder George Gershwin. Tansman kam als Sohn einer jüdischen Familie in Polen zur Welt. Er studierte am Konservatorium seiner Heimatstadt Lodz und an der Universität Warschau. 1919 zog er nach Paris, wo er bald zum Freundeskreis von Maurice Ravel gehörte. Seine Auswanderung in die Vereinigten Staaten wurde 1941 durch den Einsatz von Chaplin, Toscanini und Koussevitzky ermöglicht. In Los Angeles schloss er Kontakt mit Igor Stravinsky. Nach Kriegsende kehrte Tansman nach Frankreich zurück.
Dieses Leben spiegelt sich in einer Musik, die durch sämtliche Musikrichtungen seiner Zeit beeinflusst wurde und doch nie epigonenhaft klingt. Sie ist anspruchsvoll und verlangt vom Interpreten Fantasie und Spontaneität. Beides bringt Julia Kociuban mit, und im Zusammenspiel mit der Rubinstein Philharmonie gelingt ihr eine sehr lebendige und farbige Interpretation. Das Erste Klavierkonzert ist viersätzig und enthält neben einem elegischen Lento drei energetische Sätze mit einer nervös-quirligen Musik, die Kociuban mit spritziger Leichtigkeit spielt. Ein anhaltend spannungsvolles Musizieren vermeidet jedes sinnentleerte Plappern. Die Aufnahme ist umso bedeutungsvoller als es gegenwärtig die einzige ist, die in den Katalogen auftaucht.
Elf Jahre nach Tansman wurde in Lodz Grazyna Bacewicz geboren, deren Werk in den letzten Jahren wieder entdeckt wurde. Ihr Klavierkonzert von 1949 gewann beim Kompositionswettbewerb zu Chopins 100. Todestag den 2. Preis (ein erster wurde nicht vergeben). Im Grunde ist das Werk neoklassisch, aber insgesamt rhetorischer und ideenreicher als das Konzert von Tansman, so dass man ihm auch in gewisser Hinsicht eine neoromantische Qualität zugestehen kann.
Die Interpretation ist sehr gut, spannend und eloquent, und so kann man diese CD nur nachdrücklich empfehlen. Auch Musikfreunde mit Berührungsängsten, was Musik des XX. Jahrhunderts angeht, brauchen davor nicht zurückzuschrecken.