Was bedeuten die Symphonien Ludwig van Beethovens, musikgeschichtlich gesehen?
Die Symphonien Beethovens sind eine der großen musikgeschichtlichen Wegmarken: von der Einleitung zur Ersten Symphonie bis zum Chorfinale der Neunten spüren wir: hier bricht jemand mit allem Konventionellen und eröffnet der Musik neue Horizonte auf allerhöchstem kompositorischen Niveau.
Steht bei Beethoven alles in der Partitur, oder muss man das was wir übern den Menschen wissen für Interpretationen miteinbeziehen?
Das Persönliche und damit alle Facetten menschlichen Erlebens treten bei Beethoven stärkstens hervor. Deshalb ist es für den Interpreten unabdingbar, sich nicht nur mit den Partituren, sondern auch mit dem Menschen Beethoven zu befassen. Beethoven war der erste ‘Ideenkomponist’: seine literarischen Kenntnisse (u. a. Shakespeare, Schiller, Goethe), sein Bekenntnis zum Freiheitsideal der Französischen Revolution und zu den Werten der Aufklärung: all das hat in seiner Musik Spuren hinterlassen.
Ist Beethovens Musik nicht auch eine Reflektion über seine Umwelt, über das was in seiner Zeit passierte?
Beethoven lebte in politisch sehr bewegten Zeiten. Was um ihn herum geschah, hat er mit wachem Geist verfolgt. Nicht nur, dass er die Widmung an Napoleon vom Titelblatt der ’Eroica’ entfernte, zeugt davon. Darüber hinaus lebte Beethoven in Wien als freier Komponist in einem dauernden Spannungszustand: er war wirtschaftliche abhängig von adeligen Mäzenen, verachtete aber das feudale System als solches zutiefst. Diese Spannung hat sich auch in seinem Werk niedergeschlagen: als Verschärfung musikalischer Gegensätze, als kämpferischer Impuls.
Hatte Brahms Recht in Beethoven quasi einen unüberbietbaren Übervater zu sehen?
Lange Zeit hörte Brahms nach eigener Aussage den „Riesen hinter sich marschieren“. In seinem sinfonischen Oeuvre hat er dann aber das von Beethoven vorgegebene klassischer Erbe auf geniale Weise mit dem eigenen, romantisch gefärbten Tonfall zu etwas ganz Neuem verschmolzen.
In der Reihe ‘Klassik im Kloster Steinfeld’ wollen Sie mit dem Philosophen Gerd B. Achenbach Beethoven « nicht im Zerrbild zu betrachten ». Was ist denn ein Beethoven-Zerrbild?
Ein Beethoven-Zerrbild ist z. B. der ewig missmutige Titan (ta-ta-ta-taa) oder auch der auf ein bürgerliches Maß zurechtgestutzte Beethoven, der im Jubiläums-Jahr als Plastikfigürchen hundertfach auf dem Bonner Marktplatz stand: Beethoven als einer Art putziger Gartenzwerg.
Der Titel Ihrer Veranstaltung lautet: ‘Beethoven – im Ernst, eine unzeitgemäße Betrachtung’. Was meinen Sie mit unzeitgemäß?
Der Titel « unzeitgemäße Betrachtung“, ist bei Friedrich Nietzsche entlehnt. Der Zeitgeist tendiert nach meiner Einschätzung zu einer eher oberflächlichen Betrachtungsweise des Phänomens Beethoven.
Was erwartet den Besucher der Veranstaltung konkret?
Aufgeführt werden die drei Klaviersonaten op. 2 Nr. 1, op. 27 Nr. 2 und op. 111, letztere ergänzt durch eine Lesung des entsprechenden Kapitels aus Doctor Faustus von Thomas Mann. Gerd Achenbach wird über Beethoven aus philosophischer und kulturgeschichtlicher Perspektive sprechen, in meinem Vortrag werde ich einige der hochinteressanten Kompositionsskizzen Beethovens vorstellen und am Klavier erläutern.
Informationen und Anmeldung für Teilnehmer der Reihe ‘Klassik im Kloster Steinfeld“ unter 0049 221 922 995 69. Anmeldeschluss ist am Donnerstag, 24. September. (anmeldung@classic-artists-int.de)