Dmytro, Sie sind dieses Jahr Artist in Residence beim VP Bank Classic Festival. Sie sind schon mehrmals bei diesem Festival aufgetreten. Welche Bedeutung hat die Veranstaltung für Sie?
Ich kam 2013 zum ersten Mal nach Bad Ragaz. Damals lebte ich noch in der Ukraine, und der Auftritt beim Festival Next Generation – so hieß das VP Bank Classic Festival damals noch – war für mich eine der ersten Erfahrungen bei einem internationalen Festival. Seitdem habe ich mehrmals in Bad Ragaz gespielt, daher hat der Ort in meinem künstlerischen Leben eine große Bedeutung. Ich komme jedes Mal sehr gerne wieder. Dieses Mal Artist in Residence beim Festival zu sein, bedeutet für mich eine große Verantwortung, aber auch viel Freude.
Sie sind jetzt an einem Punkt angelangt, wo die Studien quasi abgeschlossen sind und die Karriere voll angegangen werden kann. Ist das für Sie ein schwieriger Zeitpunkt?
Ich habe eigentlich immer davon geträumt, Konzertpianist zu werden, und jetzt beginnt der Traum Wirklichkeit zu werden. Die Schwierigkeit liegt für mich nicht darin, Engagements zu bekommen, denn mein Terminkalender ist gut gefüllt, sondern dieses ganze Repertoire zu lernen, das ich brauche, um in meinen Konzerten zu spielen. Und das begreift ja nicht nur Solostücke, sondern auch Klavierkonzerte und Kammermusik. Ich muss heute mehr üben als je zuvor, das ist nicht so leicht, aber ich glaube ich schaffe das!
Haben Sie eigentlich schon eine Agentur?
Nein, aber ich habe ja den Santander Wettbewerb gewonnen, und die Veranstalter dieses Wettbewerbs arbeiten eigentlich wie ein Management, so dass ich mich zurzeit ganz darauf verlassen kann.
Ihr Terminkalender zeigt, dass Sie auch recht viel zwischen den Kontinenten hin und her fliegen. Für ein Konzert nach Korea, oder eines nach Mexiko dann wieder zurück nach Europa mit gleich weiteren Termine. Ist das nicht anstrengend?
Natürlich ist es gut, wenn man nach Asien fliegt und dann dort auch gleich mehrere Konzerte spielen kann, aber das klappt nicht immer. Und letztlich freue ich mich auf jedes Konzert.
Wie sind Ihre Beziehungen mit Ihrem Vaterland? Sie sind Ukrainer und leben in Österreich.
Meine Eltern leben in Kiev, und ich fahre hin und wieder zu ihnen, nicht oft, aber ich bin immer froh, für ein paar Tage nach Hause zu kommen. Manchmal gebe ich dort auch Konzerte.
Sie haben gesagt, Sie wollen Ihr Repertoire erweitern. Worauf wollen Sie sich dabei konzentrieren?
Zu den Komponisten, die mir sehr nahe sind, gehören Schumann, Prokofiev, Scriabin und ganz gewiss auch Beethoven. Mit Brahms fühle ich mich auch sehr verbunden. Liszt spielt auch eine Rolle in meinem Repertoire, aber heute weniger als früher. Ich glaube, das ändert sich ständig.
Und zeitgenössische Musik?
Ich habe, als ich noch in der Ukraine lebte, relativ oft zeitgenössische Musik gespielt, zusammen mit einem Geiger, und ich spiele auch heute noch zeitgenössische Kompositionen, wenn auch nicht sehr oft. Ich bleibe aber ganz offen für diese Gattung.
Ziehe Sie eine Konzertform vor?
Ich spiele gerne solo, aber genauso gern Konzerte oder Kammermusik. Konzerte sind etwas ganz Besonderes. Erstens habe ich das Gefühl, dass es meistens nicht genügend Zeit zum Proben gibt, und dann muss man sich gemeinsam mit dem Dirigenten auf eine Interpretation festlegen, und das ist nicht immer leicht. Solo ist in dieser Hinsicht unproblematischer. Aber Kammermusik spiele ich auch wirklich sehr gern.
Wenn es um Recitals geht, äußern Pianisten sehr unterschiedliche Meinungen. Die einen sagen, sie fühlen sich doch sehr allein auf der Bühne, die anderen sagen, sie genießen es, allein Herr über das Ganze zu sein.
Ich fühle mich im Recital ganz wohl. Ich bin nicht allein, das Publikum ist ja da. Allein fühle ich manchmal nach dem Konzert…
Wie findet man den Kontakt mit dem Publikum?
Ich baue auf der Reaktion des Publikums auf. Das Publikum merkt schon, wenn ich als ehrlicher Künstler auf die Bühne komme, wenn ich hinter dem stehe, was ich mache. Die Zusammensetzung des Programms spielt dabei eine große Rolle. Ich kann ja nicht nur Werke spielen, die für das Publikum interessant und attraktiv sind, aber ich muss das Programm mischen und es so zusammenstellen, dass es durchgehend interessant bleibt. Ich muss versuchen, das Publikum in meine Welt zu ziehen. Und ich merke schon, wenn das funktioniert oder halt eben nicht klappt.
Können äußere Umstande oder Ereignisse, von denen Sie vor dem Konzert erfuhren, Sie beeinflussen?
Ich muss zunächst an das Publikum denken und für das Publikum da sein. Ich versuche also wenn möglich alles Äußere zu vergessen und mich auf mein Programm zu konzentrieren. Aber es kann durchaus sein, dass etwas, was ich gerade erlebt, gehört oder gesehen habe, dem Verständnis der Musik hilft. Scriabin und Schumann haben viel äußere und innere Gefühle in ihrer Musik verarbeitet, und ich versuche mich da hinein zu versetzen. Dabei können auch äußere Umstände helfen.
Nun ja, in gewisser Hinsicht kann man beide ja – so verschieden sie auch waren – doch mit einander vergleichen. Beide waren absonderlich, litten an Halluzinationen und Depressionen. Interessant, dass sie die beiden in einem Atemzug nennen… Doch zurück zu meinen Fragen: Reisen ist ja wahrscheinlich das Unangenehmste an der Karriere?
Wenn es nicht zu lange ist, dann ist es ganz ok. Ich habe eine Freundin, und wenn man zu lange getrennt ist, ist das schon schwierig. Aber das ist halt mein Leben. Ich kann das nicht ändern.
Sie haben den Santander-Wettbewerb und andere auch gewonnen. Ist damit die Phase der Wettbewerbe vorbei?
Nein, ich glaube ich werde noch einige große Wettbewerbe mitmachen. Van Cliburn oder Rubinstein stehen ganz oben auf meiner Liste. Wettbewerbe sind immer eine gute Erfahrung. Aber mit meinen vielen Konzertterminen habe ich im Moment keine Chance, auch noch einen Wettbewerb vorzubereiten.
Wie sieht es mit Schallplatten aus?
Ich habe bereits meine erste CD aufgenommen, der Master ist fertig und ich hoffe, die CD wird bald veröffentlicht werden. Sie kommt bei Naxos heraus und beinhaltet Werke des 20. Jahrhunderts, von Ginastera Debussy, Ligeti und Prokofiev. Die CD-Aufnahme ist ein Teil des Preises, den ich im Santander-Wettbewerb gewonnen habe.
Wie sind Sie eigentlich zur Musik gekommen?
Meine Eltern sind keine Musiker, aber der Musik sehr zugetan. Ich habe neben einem jüngeren Bruder zwei ältere Schwestern, die schon Klavier spielten, als ich zur Welt kam, und weil wir ein Klavier zuhause hatten, war es für mich sehr reizvoll, den großen Schwestern nachzueifern.
Nahm diese anfängliche Begeisterung nie ab?
Am Anfang machte das Klavier sehr viel Spaß. Dann kam eine Phase, von 10 bis 15, wo ich mich schwieriger damit tat.
Also dachten Sie mit 12 nicht unbedingt daran, einmal professioneller Pianist zu werden?
Irgendwie wollte ich es schon. Ich war damals auch schon in einer Schule für Hochbegabte, aber es gab so viel zu lernen, dass es manchmal sehr schwierig war. Und ich hatte ja auch noch andere Interessen. Ich habe sehr gerne Fußball gespielt, und das kam dann alles zu kurz wegen des Klaviers. Aber schließlich hat mein Wille doch geholfen, die Schwierigkeiten zu überwinden.