Frau Angatschewa, auf Ihrer rezenten CD spielen Sie u.a. die Sonaten Nr. 23 & 27 von Ludwig van Beethoven. Wie ist Ihr Zugang zu seiner Musik?
Beethovens Werke begleiten mich seit meiner Kindheit. Ich habe mit zehn Jahren mit seinen früheren Sonaten begonnen und während meines Studiums bei Heinz Medjimorec an der Universität für Musik in Wien fast alle Sonaten Beethovens vertieft, so dass es für mich irgendwann logisch erschien, die nun vorliegende CD einzuspielen.
Bei Ihrer Aufnahme sind mir insbesondere der großzügige Klang und eine erstaunliche dynamische Breite und Farbenvielfalt aufgefallen, die so gar nicht in das momentane Interpretationsbild passen, das ja auf der einen Seite von einer eher intellektuellen, unterkühlten Sichtweise oder auf der anderen durch die historische Aufführungspraxis geprägt wird.
Es gibt gewiss auch viele Pianisten, die diese unterkühlte und intellektuelle Interpretationskonzept nicht teilen, von dem Sie sprechen. Völlig davon zu unterscheiden ist aber die historische Aufführungspraxis, wobei naturgemäß zwei total unterschiedliche Herangehensweisen vorgegeben sind, ob man jetzt die ‘Appassionata’ etwa auf einem Hammerklavier oder aber auf einem modernen Bösenderfer VC 280 spielt. Beides hat seinen Platz im heutigen Konzertbetrieb. Allerdings weiß man, dass Beethoven selbst über jede Verbesserung und Innovation der Klaviere glücklich gewesen wäre. Seine Kompositionen leben von starken Kontrasten, und Schindler berichtet ebenfalls von agogischen Freiheiten in Beethovens eigenem Spiel; die Symphonien sind Paradebeispiele von dynamischer Breite und Farbenvielfalt,und man kann getrost annehmen, dass Beethoven von den klanglichen und pianistischen Möglichkeiten eines heutigen Steinway D oder eines Imperial begeistert gewesen wäre.
Wie stehen Sie zu den heute modernen Tendenzen, gerade die klassischen und romantischen Werke zu entschlacken, Symphonieorchester durch Kammerorchester zu ersetzen und die Gefühle, den großen Atem durch mehr Transparenz und schlanke Linien zu ersetzen?
Das Wort ‘entschlacken’ trifft die Sache im Kern. Vergleicht man eine Aufnahme einer Bach-Passion unter Karl Richter und seinem Chor mit einer Aufführung von Harnoncourt und dem Schönberg-Chor, so könnte der Unterschied nicht größer sein. Das betrifft natürlich auch die Beethoven-Symphonien: Karajan mit den Berlinern oder Haselböck mit der Wiener Akademie, da liegen Welten dazwischen. Wobei Letztere dem Originalklang bestimmt näher kommen. Allerdings auch hier die Frage: Hätte sich Beethoven nicht über ein großes Symphonieorchester gefreut?? In einem Saal wie der Carnegie-Hall??
Wie gehen Sie denn bei der Erarbeitung eines Werkes vor?
Texttreue und Tempowahl waren und sind bei mir fixe Parameter. Zum Glück bleibt aber immer eine ausreichende Bandbreite für meine individuelle Auslegung und Gestaltung, wobei ich mich bewusst nicht an konkrete Vorbilder halte. Meine besondere Bewunderung für Alfred Brendel kann ich allerdings nicht verhehlen.
Ist es als junge Musikerin nicht gewagt, Werke einzuspielen, von denen es bereits unzählige Aufnahmen und das mit den besten Pianisten der Welt gibt?
In meiner Diskographie befinden sich sowohl bekannte als auch eher nicht so geläufige Werke. Ich habe es immer als Privileg aufgefasst, mir die Freiheit nehmen zu können, mir meine Aufgaben und mein Repertoire auszusuchen, und das ohne Rücksicht auf bereits existierende Aufnahmen. Ich glaube aber fest daran, dass sich selbst sehr bekannten und bereits oft eingespielten Werken durch die legendären Interpreten der Vergangenheit und Gegenwart immer noch neue Facetten entlocken lassen.
Auf Ihrer vorherigen CD spielen Sie drei Klavierkonzerte von Addinsell, Rota und Piazzolla, die man wirklich als Raritäten betrachten kann. Wie kam es zu diesem Projekt und welche Wagnisse muss man gerade als junge Künstlerin eingehen?
Es war immer schon ein Traum von mir, das ‘Warschauer Konzert’ von Addinsell aufzunehmen, und bei Rota hat mich der Umstand gereizt, dass es so gut wie keine Aufnahmen gab. Das Stück von Astor Piazzolla in der Besetzung für Klavier und Orchester war ohnehin eine Ersteinspielung! Ich hatte von Anfang an nie die geringsten Befürchtungen, dass dieses interessante Programm nicht gut ankommen könnte. Zum Glück habe ich Recht behalten…..
Viele Musiker beklagen sich darüber, dass der CD-Markt ähnlich wie der Autohandel funktioniert: Man stellt ein neues Modell vor, greift es, bleibt es im Programm und wird verfeinert, greift es nicht, wird es aus dem Programm genommen. Tatsache ist, dass der CD-Markt regelrecht überschwemmt wird mit neuen Gesichtern, die z.T. außergewöhnliches Talent besitzen. Trotzdem verschwinden viele ganz oft sehr schnell wieder von der Bildfläche. Wie soll man sich denn als aufstrebenden Musiker verhalten oder ist letztendlich sowieso alles nur eine Frage des Glücks?
Ich glaube nicht, dass es ein Patent-Rezept für Erfolg gibt. Wichtig ist alleine, dass man sich selber als Mensch, Künstler und Interpret immer treu bleibt. Und etwas Glück kann ohnehin nie schaden.
Sie sind Mitglied und Mitbegründerin des Trio D’Ante. Was liegt Ihnen denn mehr am Herzen: Soloprojekte oder Teamwork?
Beides! Zwei Herzen schlagen in meiner Brust, die Arbeit im Trio ist vielleicht noch anspruchsvoller als die Tätigkeit als Solo-Pianistin, da drei unterschiedliche Personen letztlich wie ein Ganzes klingen sollen. Ich genieße es aber sehr, zwischen diesen zwei Welten zu pendeln und möchte es keinesfalls missen, sowohl als Solo-Interpretin als auch mit meinem Trio regelmäßig aufzutreten.
Woher stammt denn der Name und was bedeutet er?
Entgegen einer naheliegenden Vermutung hat der Name nichts mit dem italienischen Poeten Dante Alighieri zu tun, sondern leitet sich von ‘d’ante’ ab, was aus dem Spanischen kommt und ‘früher’ bedeutet. Alle Mitglieder meines Trios stammen aus Bulgarien und wir kennen uns schon seit unseren frühesten Studienzeiten. Deshalb der Name D’Ante.
Zwei Komponisten, die immer wieder bei Ihnen auftauchen, sind Chopin und Liszt. Gibt es sonst noch Vorlieben?
Während ich in Spanien lebte, habe ich die Liebe zu Piazzolla entdeckt. Deshalb habe ich diesen nicht nur für meine vorletzte CD mit Orchester ausgewählt, sondern habe zudem auch mit meinem Trio eine CD mit Werken von Piazzolla und E. F. Arboz eingespielt.
Sie sind in Bulgarien geboren und haben in Wien studiert. In wieweit hat die ‘Wiener Schule’ ihr Spiel und ihr Interpretationskonzept beeinflusst, in dem ich aber manchmal auch die Expressivität und Dramatik der russischen Schule heraushöre.
Wie Sie schon ganz richtig bemerkt haben, bin ich durch die russische Schule geprägt worden. Mein Professor in Wien hat aber nie versucht, mir diese Ausdruckskraft nicht zu nehmen, sondern er half mir, sie nur durch die Wiener Schule zu verfeinern. Und ich bin ihm für diese umsichtige Vorgehensweise sehr, sehr dankbar.
Wie würden Sie die Bezeichnung Interpretation erklären und was bedeutet es für Sie, Interpretin zu sein?
Die Interpretation ist die Visitenkarte eines jeden Künstlers. Jeder Mensch ist von Natur aus anders, weshalb es mein Ziel sein muss, so überzeugend wie möglich meine eigene Persönlichkeit in das Werk einzubringen. Nur wenn mir das gelingt, kann es letztlich eine überzeugende Interpretation sein, die auch beim Publikum Anklang findet.