(Norbert Tischer) – Die Blockflötistin Dorothee Oberlinger hatte anlässlich ihres Debüts als Intendantin der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci im Juni 2019 Giovanni Battista Bononcinis Oper Polifemo aufs Programm gesetzt und auch dirigiert. Das vorliegende Set von Deutsche Harmonia Mundi ist ein Live-Mitschnitt aus dem Orangerieschloss in Potsdam.
Bononcinis Polifemo wurde 1702 am Hof der preußischen Königin Sophie Charlotte uraufgeführt. Ein einäugiger Riese, Polifemo, Acis und Galatea, die eifersüchtige Zauberin Circe, Glauco und Silla sowie die Göttin der Liebe sind die Figuren dieser Oper, die zwei Geschichten aus Ovids Metamorphosen vermischt, die ihrerseits der griechischen Mythologie entlehnt sind,
Nach vielen Verwandlungen und Kämpfen überleben die beiden Liebespaare nach dem Willen von Venus.
Polifemo wird von dem portugiesischen Bass Joao Fernandes ausdrucksvoll und stimmlich sehr gut gesungen. In der Rolle der Aci hören wie den exzellenten brasilianischen Sopranisten Bruno de Sá, dessen Darstellung auch stimmlich fasziniert. Roberta Invernizzi ist eine nicht weniger exquisite Galatea, und die Nymphe Silla wird sehr gut von Roberta Mameli gesungen. Helena Rasker kann in der Rolle des Glauco überzeugen. Die Rolle der Circe wird von der russischen Sopranistin Liliya Gaysina sehr engagiert dargeboten. Auch die Venus von Maria Ladurner kann gefallen.
Unter Dorothee Oberlingers einfühlsamer Leitung musiziert das Ensemble 1700 auf gewohnt hohem Niveau.
(Guy Engels) – Viel Liebe, viele Irrungen, viel Eifersucht, ein tumber Zyklop und ein Happy End – dies ist im Wesentlichen die Handlung von Giovanni Battista Bononcinis Oper Polifemo, die 1702 am Hof der preußischen Königin Sophie Charlotte aufgeführt wurde. Den Zuschauern musste der Stoff bekannt sein – eine Erzählung aus der griechischen Mythologie, die in dieser Zeit mehrfach vertont worden ist.
Dorothee Oberlinger hat diesen Schatz aus dem barocken Opernrepertoire 2019 als Leiterin der Potsdamer Musikfestspiele auf die Bühne zurückgeholt und nun auch als Live-Mitschnitt herausgebracht.
Zunächst einmal besticht die plastische Klarheit der Aufnahme, die die Bühnenatmosphäre und das Geschehen unvermittelt wiedergibt. Nicht minder beeindruckend ist aber vor allem die musikalische Darbietung, die eindeutige Rollendarstellung, das lebendige und zupackende Spiel des Ensemble 1700 und die wunderbaren Sängerleistungen.
Hervorzuheben ist hier der natürliche, strahlende Sopran von Bruno de Sa in der Rolle des weinerlichen Aci, ein Sänger, der mit den Stars seines Fachs anstandslos mithalten kann. Die komische Note bringt Joao Fernandes als intellektuell beschränkter, ungelenker Zyklop Polifemo ins Spiel, wie denn alle Sänger stimmlich ihren Rollen eine ganz persönliche Note geben und diesen Polifemo zu einem echten Erlebnis machen.