Einige Werke, wie die Violinsonaten von Johannes Brahms, finden sich ständig in vielen Aufnahmen im Katalog. Ist eine weitere Aufnahme sinnvoll oder nötig? Und bietet sie etwas Besonderes?
Anlass für diese Aufnahme ist das dreißigjährige Bühnenjubiläum des Geigers Ingolf Turban. Der umfangreiche, aber nicht überbordende Katalog seiner Aufnahmen zeigt auch weniger bekannte Werke wie das Konzert von Carl Reinicke oder die Sonate von Ludwig Thuille. Seine Auftritte mit vielen großen Orchestern rund um die Welt bezeugen seine außerordentliche künstlerische Größe. Wie bei wenigen kann man sagen und begrüßen, dass er auf der Grundlage seiner stupenden Technik lieber musikalisch durchdacht und gepflegt spielt und nicht auf den lauten Knalleffekt schielt.
Dieses vorausgeschickt, ergibt sich schon die erste Antwort. Ja, diese Aufnahme ist sinnvoll. Es handelt sich um den Mitschnitt eines Konzertes. Zu hören sind hervorragend ausgemessene Darstellungen. Doch es bleibt natürlich nicht bei einem genauen Lesen der Noten, sondern es kommt zu einem außerordentlichen musikalischen Fluss. Die Gestaltung ist detailliert und frisch. Die begleitende, auf dem Label kleiner und ohne Foto dargestellte Pianistin Gabriele Seidel-Hell ist eine verlässliche und einfühlsame Begleiterin, die den pianistischen Anforderungen problemlos gerecht wird.
Auch die zweite Frage kann positiv beantwortet werden. Das Besondere ist, dass Turban jede Sonate auf einer anderen Geige spielt. Dazu werden im Beiheft Erläuterungen zu den persönlichen Umständen der Entstehungszeit jeder Sonate ebenso dargestellt wie die Überlegungen des Geigers zur Wahl der Instrumente. Bei der ersten Sonate beispielweise haben das ‘Regenlied’ und ‘Nachklang’, zwei Vertonungen der Lyrik Klaus Groths, zugrunde gelegen, die wiederum mit Clara und Felix Schumann verbunden sind. Die mit Wärme verbundene und nach innen ausgerichtete Sonate wird auf einer eher einen dunklen Geigenton repräsentierenden Geige von Nicolas Lupot dargestellt. Man kann die unterschiedlichen Charaktere der Geigen durchaus wahrnehmen. Ob sich diese feinen Unterschiede jedem Hörer gleich intensiv offenbaren, bleibt offen. Die CD gefällt gleichwohl uneingeschränkt.