Die Dresdner Musikfestspiele finden in diesem Jahr vom 18. Mai bis zum 18. Juni unter dem Thema ‘Licht’ statt. Alain Steffen hat einige Konzerte besucht.
Auf dem Programm eines Konzerts des ‘City of Birmingham Symphony Orchestra’ unter Gustavo Gimeno standen die Symphonie Nr. 38 von Wolfgang Amadeus Mozart, die Symphonie für Cello und Orchester von Benjamin Britten und die 1. Symphonie (Frühlingssymphonie) von Robert Schumann. Die Semperoper war bis auf den letzten Platz ausverkauft und das Publikum konnte ein in allen Punkten erstklassiges Konzert erleben.
Zwar ist Brittens Symphonie für Cello nach wie vor ein recht sperriges und für das Publikum eher undankbares Werk, doch der Solist des Abends war Jan Vogler, also der Festspielleiter, und somit war das Werk in besten Händen. Vogler begeisterte dann eigentlich wie immer in seinen Konzerten oder seinen Aufnahmen, mit einer höchst konzentrierten, sehr dichten und zugleich mitreißenden Interpretation, die das Werk aus vielen verschiedenen Perspektiven heraus beleuchtete. Farben, Dynamik, Akzente, Melodienfluss, Präzison und Ausdruck, alles fügte sich nahtlos ineinander. Gimeno hatte das CBSO fest im Griff und unterstützte Vogler mit einer sehr präzisen, objektiven Leseart des Werkes. Nichts wurde dem Zufall überlassen, Gimeno setzte auf ein exaktes Timing und klare Strukturen, die Vogler einen idealen Klangteppich boten.
Schon die als erstes Werk erklungene 38. Symphonie von W.A. Mozart ließ ganz deutlich Gimenos Konzept erkennen. Zügige Tempi, die nie überhetzt, sondern sehr natürlich, ja oft sogar recht sportlich wirkten, kontrollierte Emotionalität, markante, nie überzogene Akzente und ein immer organisch wirkender Musikfluss machten diese Symphonie in Gimenos Interpretation zu einer regelrechten Neuentdeckung. Auch die 1. Symphonie von Schumann kam ohne Pathos und allzu viel romantische Färbung aus. Klar durchstrukturierend und ganz auf die Musik selbst vertrauend führte Gimeno dieses Werk ohne Brüche und mit schlanker Tongebung von Satz zu Satz. Das CBSO spielte mit größter Freude und man merkte in jedem Moment, wie gut Musiker und Dirigent miteinander harmonierten.
Großes Einvernehmen auch beim zweiten Konzert, das wir in dem neurenovierten Saal des Kulturpalastes erleben konnten. Die Tschechische Philharmonie interpretierte Smetanas kompletten Zyklus ‘Mein Vaterland’ unter der Leitung Petr Altrichter, der in letzter Minute für den erkrankten Jiri Belohlavec eingesprungen war. Altrichter ist ein sehr dynamischer Dirigent, der ‘Mein Vaterland’ unter vollem Körpereinsatz dirigierte. Die Interpretation war sehr national (im positiven Sinne) geprägt, also mit viel tschechischem Herzblut, einem kraftvollen und beseelten Spiel sowie mit den einmaligen Stimmungen, die der Komponist Smetana heraufbeschwört. Vor allem war es eine sehr musikantische Interpretation, ganz in der Linie der großen Aufnahmen, wie wir sie von Talich, Ancerl oder Kubelik her kennen. Majestätische Klangpracht und wunderbare Tonmalerei, ein Orchester voller Elan und ein bis in die Fingerspitzen motivierter Dirigent, all das machte aus diesem Konzert ein atemberaubendes Erlebnis, für das sich das begeisterte Publikum zu Recht mit Standing Ovations bedankte. Erstaunlich nur, dass dieses mitreißende Werk so selten aufgeführt wird.
Bei so viel Begeisterung vergisst man leicht, etwas über die exzellente Akustik des neuen, hellen und optisch sehr schönen Saales des (ansonsten hässlichen) Kulturpalastes zu sagen. Der Klang wirkt kompakt und klar, alle Instrumentengruppen kommen selbst auf den nicht so guten Plätzen hervorragend zur Geltung. Vor allem erlaubt es die Akustik, ein Orchester ‘voll hochzufahren’, ohne dass dabei etwas an dynamischer Abstufung, Farben oder Transparenz verloren geht. Das merkten wir vor allem beim Konzert mit der ‘Dresdner Philharmonie’, einem ungemein guten Orchester, das noch immer ganz zu Unrecht im Schatten der berühmteren Staatskapelle steht. Das Klavierkonzert Nr. 20 von Mozart erklang sehr leicht, interpretationsmäßig war allerdings noch Luft nach oben. Herbert Schuch ist zweifelsohne ein erstklassiger Pianist, als Mozart-Interpret muss er allerdings noch wachsen. Hier wurde phantastisch gespielt, allerdings blieb Schuchs Interpretation relativ blass und ohne rechte Phantasie. Das Konzert plätscherte gemütlich und gefällig dahin, auch Michael Sanderling und die Dresdner Philharmonie beschränkten sich auf eine klangschöne, wenn auch zu routinierte Begleitung.
Ganz anders dann die 12. Symphonie von Dmitri Shostakovich aus dem Jahre 1961. Dieses Werk, das immer noch Fragen aufwirft, wie es denn zu verstehen und zu interpretieren ist, fand in Michael Sanderling einen großartigen Sachverwalter. Wen wundert‘s, gehört doch Shostakovichs Musik zum ‘musikalischen Erbe’ der Familie Sanderling. Einmal davon abgesehen, dass er die ‘Dresdner Philharmonie’ zu einer Höchstleistung anspornte und somit eine auch für das Publikum emotional packende Aufführung erreichte, gab er sich mit einer gradlinigen Interpretation mit Jubelfinale nicht zufrieden. Immer wieder irritierte er, ließ die Musik in sich zusammenbrechen, peitschte sie wieder nach vorn und ließ im großangelegten Finale vordergründigen Jubel vermissen. Somit hinterließ Shostakovichs 12. Symphonie am Ende dann einen eher nachdenklichen als optimistischen Eindruck. Und so scheint es, in meinen Augen jedenfalls, auch vom Komponisten gewollt.