Bei Karl Amadeus Hartmann (1905-1963) haben wir es mit einem der wichtigsten Komponisten Deutschlands des 20. Jahrhunderts zu tun, und eine solche Behauptung ist nicht unbegründet. Der Hauptteil seines Lebens fiel allerdings in die düsterste Periode der deutschen Geschichte hinein, und da der Komponist mit den Naziverbrechern nichts zu tun haben wollte, ließ er seine Werke zuerst nur noch im Ausland aufführen und versank dann in ein beredtes Schweigen: Er zog sich in die ‘innere Emigration’ zurück, bis der grauenhafte Spuk vorbei war. Aus dieser düstren Zeit stammt sein inzwischen populärstes Werk, das ‘Concerto funèbre’.
Schon in der von uns im Pizzicato-Heft vom November 2005 besprochenen Produktion mit Gordan Niklic wirkte das Niederländische Kammerorchester mit, und auch diesmal sind es unsere holländischen Freunde, die sich an eine Ehrenrettung für den Komponisten heranwagen: Bei fast allen Einspielungen, außer den Symphonien 4 und 5, die im Studio aufgenommen wurden, handelt es sich um Life-Mitschnitte.
Zur überzeugenden Qualität trägt das SACD-Verfahren das Seinige bei: Die Aufnahmen haben eine außergewöhnliche Plastizität und Durchsichtigkeit: Jede Note wird hörbar, und jede von Hartmann gewünschte Emotion wird wirkungsvoll. Mit Ausnahme der ‘Sinfonia concertante’ (Nr. 5), die vom ‘Netherlands Radio Chamber Phiharmonic’ unter der Leitung von Michael Schønwandt sehr sensibel dirigiert wird, haben wir es dabei nur mit Einspielungen des Philharmonischen Rundfunkorchesters zu tun, das aber unter fünf Dirigenten im Amsterdamer Concertgebouw aufgetreten ist. Und nun das Erstaunliche: Es gibt keine Schwachstelle in dieser Gesamteinspielung der acht Symphonien.
Überraschend war für mich die Leistung von James Gaffigan, einem Dirigenten, dem ich bisher noch nicht begegnet bin und der die 2. Symphonie, die aus einem einzigen ‘Adagio’ besteht, mit einer schier unglaublichen Intensität gestaltet. Zweimal ist auch Markus Stenz präsent. Ihm obliegt es, die fünfsätzige Erste Symphonie, ‘Versuch eines Requiems’, mit der erforderlichen Intensität zu versehen, was ihm denn auch ausgezeichnet gelingt. Dabei wird er bestens durch die Altistin Kismara Pessati unterstützt, die die wunderschönen Texten von Walt Whitman ergreifend gestaltet. Auch Christoph Poppen in der 6., Osmo Vänskä in der 7. und Ingo Metzmacher in der hochkonzentrierten 8. (die ‘Cantilene’ ist beklemmend schön!) werden ihren Aufgaben vollends gerecht, zumal sie ein hoch motiviertes Orchester zur Verfügung haben, das ebenso spontan wie sensibel auf die verschiedenen Dirigate reagiert und an allen Pulten zu überzeugen weiß. Besonders bemerkenswert ist die Kunst der Musiker, die für Hartmann so wichtigen Kontraste und zugleich sein Zusammenfügen verschiedenster Stilmittel zu verdeutlichen. Dabei kommt der Perkussionsgruppe noch eine besondere Rolle zu. Es ist kein Zufall, dass man bei so manchen Sätzen dieser Symphonien an Gustav Mahler erinnert wird. Diese Integrale stellt jedenfalls eine echte Bereicherung auf dem CD-Markt dar.
Karl Amadeus Hartmann (1905-1963) is one of the most significant but least-known symphonic composers of the 20th century. This set of three hybrid SACDs, issued to mark the 50th anniversary of the German composer’s death, features his eight symphonies played by the Netherlands Radio Philharmonic and Chamber Philharmonic Orchestras under the expert batons of several major conductors. An truly enriching production!