Viel Staub hat mein Editoral ‘Wie ein Scheich auf den Champs Elysees’ aufgewirbelt. Das war vorauszusehen und auch beabsichtigt. Immerhin hat das ‘Luxemburger Wort’, dessen Kulturredakteurin im Verwaltungsrat der Philharmonie sitzt – einer der vielen Skandale der Ära Modert – unserem Editorial eine ganze Zeitungsseite gewidmet, auf der die Ministerin die Kritik an ihr und an Matthias Naske als Kontenbegleichung abtat (siehe dazu unseren Artikel Luxemburg hat eine schlecht informierte Kulturministerin). Doch es geht um viel mehr, wie im Folgenden erläutert wird.
Etwas muss ich zunächst noch klarstellen: Es geht in meiner Kritik an Naske und Modert nicht um die Philharmonie als solche. Die Philharmonie ist ein unabdingbares Instrument für das Luxemburger Musikleben, und Luxemburg kann stolz darauf sein, einen solchen Saal zu haben. Ferner muss auch dies noch erklärt werden: « Warum hast Du das nicht schon früher geschrieben? » Die Frage wurde mir nach dem Leitartikel des Septemberhefts gleich mehrmals gestellt. Nun, dafür gibt es einen guten Grund. Ich fürchtete, die staatliche Subvention nicht zu erhalten, die wir aber bitter nötig hatten, selbst wenn es sich nur um schlappe 11.300 Euro handelt, viel Geld für uns, wenig, wenn man bedenkt, was andere Kulturorganisationen bekommen. Mit solchen Befürchtungen stehe ich übrigens nicht allein da, wenn ich mir anhöre, was Luxemburger Kulturakteure nach der Lektüre des September-Leitartikels sagten: Breite Zustimmung gab es, Respekt wurde mir gezollt für meinen Mut, und dass sie meine Meinung hundertprozentig teilten, dies aber nicht öffentlich sagen könnten, um nicht ihre Position und die Subventionen ihrer Vereinigung aufs Spiel zu setzen. Wo leben wir eigentlich? In welcher repressiven Diktatur? Ich weiß es: in der einer Kultur-Cholerikerin. Ich weiß es, hatte ich doch im vergangenen Jahr erstaunliche Erfahrungen gemacht. Blenden wir zurück:
In den ersten Januartagen des Jahres 2012 blätterte Kulturministerin Octavie Modert durch das neue Heft von Pizzicato. Auf der letzten Seite angekommen, musste sie feststellen: Nichts! Keine Zeile fand sie über ihr Lebenswerk, die Fusion von Philharmonie und dem Philharmonischen Orchester Luxemburg. Dass die Abstimmung im Parlament erst Ende Dezember erfolgt war, als das Januarheft von Pizzicato längst im Druck war, entging ihr im aufwallenden Zorn, in dem sie wohl entschied, unsere Musikzeitschrift mit dem Entzug ihrer Subvention zu bestrafen.
Im Juni 2012 war dann klar geworden, dass die Philharmonie der Gesellschaft, die Pizzicato herausgibt, sämtliche Verträge mit dem Orchester kündigen würde, und ich hatte der Ministerin einen Brief geschrieben, in dem ich um eine Unterredung bat, in welcher ich meine Argumente für eine höhere staatliche Beihilfe erläutern wollte. Das war im Frühsommer. Im Herbst – unsere alljährliche Subvention war immer noch nicht eingetroffen – schrieb ich einen Leitartikel über den Rausschmiss von Stefan Rosu, dem Generaldirektor des Orchesters, und einen weiteren, in dem ich meine Vorstellung der angesprochenen Fusion darlegte, nach der, meines Erachtens, nicht die Philharmonie, sondern das Orchester die Führungsrolle im Haus übernehmen sollte. Danach bekam es die zwar total wütende Ministerin mit der Angst zu tun, ich könnte unter Umständen noch mehr Hintergrundmaterial veröffentlichen, als bis dahin bereits geschehen war und ordnete an, das Problem Pizziccato zu lösen. Und das, obschon sie durch meinen Artikel als Lügnerin abgestempelt worden war, weil sie auf einer Pressekonferenz genau das Gegenteil dessen behauptet hatte, was in Sachen Generaldirektor des OPL im Pizzicato zu lesen stand: Sie sprach von einer Demission dieses Herrn, während absolut klar war, dass man ihn aus gutem Grund hinausgeworfen hatte.
Die längst angefragte Unterredung wurde mir zugestanden. Doch nicht, um nach einer Lösung zu suchen, sondern um mich auszuschelten. Nachdem sie mich eine gute halbe Stunde hatte warten lassen – das war Absicht – stürmte die Dame in den Versammlungsraum, schmiss die in der Hand gehaltene Akte kraftvoll und entsprechend sonor auf den Tisch und sagte, sie habe nicht viel Zeit, ich solle ihr schnell erklären, um was es gehe. Ich antwortete: „Nun, wie ich in dem Brief an Sie bereits erkl…“ und dann sprang sie wütend auf, brüllte, sie lasse sich von mir nicht verblöden und stürmte aus dem Raum. Ich fragte ihren Ministerialdirigenten, den sie im Schlepptau hereingeführt hatte, ob die Unterredung damit beendet sei, doch dieser meinte, sie habe ihr Handy da gelassen, was wohl bedeutete, dass sie zurückkommen würde. Das trat nach zehn Minuten tatsächlich ein. Da ich in Auseinandersetzungen meist in dem Maße ruhig bleibe wie mein Gegenüber aufgeregt ist, gelang es mir, die Ministerin nach weiteren Ausfällen endlich zu beruhigen, freilich ohne die geringste Erfolgsaussicht. Es wurde bald klar, dass mit einer staatlichen Hilfe, die über jene hinausging, die wir bis dahin erhalten hatten, nicht zu rechnen war. Dabei blieb es, und das Ganze war eigentlich ein Zeitverlust, wäre da nicht Form des Gesprächs, die insofern bereichernd war, als sie mir nach über vierzig Jahren Journalismus eine Ministerpersönlichkeit vor Augen führte, wie ich sie bis dahin nicht erlebt hatte. Ich hatte so manche Auseinandersetzung mit Ministern und ich brachte einige von ihnen ganz schön zum Schwitzen, aber niemals ist mir jemand begegnet, der so frech war wie Modert und gleichzeitig so wenig Sachverstand zeigte, von Kohärenz in der Gedankenführung gar nicht zu reden.
Ich erfuhr in den Tagen nach diesem ‘Erlebnis’, dass Modert bekannt ist für solche Wutausbrüche und diese immer dann auftreten, wenn sie sich ihrer Sache nicht sicher ist und sich ihrem Gegenüber unterlegen fühlt.
Schließlich sollte ich dann doch noch im Dezember des vergangenen Jahres die Subvention für 2012 erhalten, zur Strafe jedoch im Vergleich zum Vorjahr um 700 Euro gekürzt. Derselbe Betrag wurde uns im Sommer dieses Jahres für 2013 überwiesen.
Diese Kultur-Cholerikerin ist es also, die seit 2004 das Luxemburger Musikleben lenkt und unter anderem dem Intendanten der Philharmonie erlaubte, sein Imperium aufzubauen, Naskezistan, den Staat im Staat, der alles niederwalzen durfte, was ihm nicht genehm war. Diese Frau stellt sich in diesem Monat erneut zur Wahl. Dass sie abgewählt werden muss, leuchtet ein, und da sie nicht nur mich, sondern viele Leute verärgert hat, besteht eine gewisse Chance dafür. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Musiker jener lokalen Musikgesellschaft ihr Stimmen geben werden, in deren Konzert sie quasi von der ersten bis zur letzten Minute SMS-Meldungen auf ihrem Smartphone verschickte und damit den Musikern auf dem Podium ihre ganze Verachtung zeigte. Speremus!
Weitere Kommentare zu hoch interessanten Fakten aus der Modert-Zeit und über Naskezistan folgen in einem nächsten Beitrag zu dieser Thematik.