Einen ungewöhnlichen Weg ist Hilary Hahn mit Bachs Sonaten und Partiten für Violine allein gegangen. Während etliche Geiger alle sechs Werke zusammen einspielen oder sogar an einem Abend aufführen, hat Hilary Hahn vor zwanzig Jahren die Werke in C- und E-Dur sowie d-Moll aufgezeichnet. Erst jetzt hat sie sich den Stücken in a-, g- und h-Moll für eine Aufnahme gewidmet. Und auch das war sozusagen kein Sprint. Diese Werke begleiten sie, wie wohl die meisten Geiger, schon ein Leben lang. Die Beschäftigung mit diesem Kosmos fördert immer wieder neue Sichten und Herangehensweisen, auch bei ihr. Und sie fühlte sich erst jetzt für die Fortsetzung bereit. Sie hatte bereits die Aufnahmen gemacht und hat sie dann doch noch liegen lassen, bis sie sie anhören wollte. So konnte sie inzwischen neu gewonnene Erfahrungen berücksichtigen und die Aufnahmen ergänzen.
Der erste Eindruck ist der, der auch schon bei älteren Bach Aufnahmen von Hahn zu bemerken war. Sie lässt sich von der historischen Aufführungspraxis wenig beeindrucken. Schon die ersten Töne prägt ein kräftiges Vibrato. Im weiteren Verlauf der Aufnahme fällt das Vibrato nicht mehr so auf, aber am Anfang springt es einen an. Wenn man auf diese im Grunde genommen altmodische Lesart einmal einlässt und nicht den klassisch tiefgründigen Bach erwartet, dann gefällt ihr fließendes, singendes Spiel, das nicht asketisch daherkommt. Die Tanzsätze werden in dieser Weise als Tanzsätze erfahrbar und diese Interpretation klingt freier, wie auch bei anderen jungen Geigern als die Darstellungen derjenigen, die Bach mit norddeutscher Schwere assoziieren. Hahn geht ihren Bach vom Legato her an und entlockt den melodischen Linien dieser Musik damit andere Klangstrukturen, eher lichte, als Kathedralen der Anbetung. Wie gesagt, lässt man darauf ein, so wird diese CD mit sehr edlem, aufpoliertem, manchmal ein wenig süßlichem und wohl ganz unhistorischem Bach sehr mögen.