Mikhail Pletnev setzt seine sehr eigenwilligen Aufnahmen der Shostakovich-Symphonien fort. Die mit fast 75 Minuten sehr langatmige Vierte Symphonie wirkt in dieser Einspielung sehr demonstrativ. Pletnev dirigiert spannungsarm und zeigt so einen total desillusionierten Komponisten mit einer lässigen Rhetorik und einem durchwegs undramatischen Ansatz.
Wenn der Beginn des ersten Satzes bei Kitajenko etwa wie ein Stich mit einem glühenden Messer wirkt, ist Pletnev weit entfernt von dieser Intensität, und auch im weiteren Verlauf der Symphonie zeigt sich die Musik fernab jeden satirischen Touchs und bleibt entsprechend harmlos.
Wie buchstabiert kommt mir der erste Satz aus der Zehnten Symphonie vor, langsam gespielt, spannungslos, schwerfällig, wuchtig akzentuiert, mit einem letzten Endes unterdrückten Ausdruck. Den zweiten Satz gestaltet Pletnev tänzerisch und virtuos. Von dem Unerbittlichen, das man sonst in diesem Stück zu hören bekommt, bleibt nichts übrig.
Das Allegretto wird, romantisch verbrämt, in stattlichen vierzehneinhalb Minuten gespielt (dauert also zwei Minuten länger als in anderen Interpretationen). Auch hier fällt das stoische Akzentuieren auf, das wie eine Tortur klingt. Das Finale ist nicht weniger recherchiert. Und wenn man genau hin hört und vergleicht, merkt man, dass Pletnev Kitajenko nachzueifern scheint. Doch wo dieser aus tiefen Werkverständnis heraus zum Kern der Musik vordringt, bleibt Pletnev vordergründig und effektvoll. Die Aufnahme ist allerhöchstens für einen Hörer interessant, der die Symphonie wirklich gut kennt, vergleichen und aus dem Vergleich etwas lernen kann.