Wem die Musik des 19. Jahrhunderts aus Frankreich und vielleicht zusätzlich der Celloton gefällt, der wird auf dieser Aufnahme neben dem bekannten Werk von Lalo in d-Moll das Konzert von Charles-Marie Widor in e-Moll entdecken.
Das Werk von Widor ist aus manchmal unklar notierten handschriftlichen Originalnoten als Ersteinspielung zu hören. Es klingt deutlich poetisch und weniger als solistisches Schaustück. Widor, für seine Orgelmusik bekannt, übertrug Kompositionselemente für Orgelwerke auf das Cellokonzert. So vollzieht die Orchestrierung Manualwechsel und auch Registerwechsel wie bei einer Orgel. Seine Vorliebe für einstimmige melodische Linien ist teilweise auch im Konzert zu hören. Die Cellostimme ist instrumentengerecht gefasst. Material aus dem ersten Satz taucht umgestaltet im Finale wieder auf und gibt dem Stück damit eine zyklische Form.
Der in England ausgebildete, in Südafrika heimische Cellist Graham du Plessis hat diese gelungene Kombination nun als Solist eingespielt. Dank seiner guten Ausbildung und seiner in Europa gesammelten Erfahrungen fällt es ihm leicht, diese beiden sich stilistisch nahe stehenden Stücke überzeugend zu interpretieren. Beim Konzert von Widor kann er mehr unbegleitete Kadenzen und rezitativähnliches Material spielen als bei der bisher bekannten Version mit Klavierauszug. Trotz der lyrischen Seite bietet es dem Solisten auch reichlich zu knackende Nüsse, wie die oft zu spielende hohe Lage.
Für den Lalo setzt er sich mit Energie ein, um die nahezu ununterbrochene in sich gekehrte Sololinie des ersten Satzes bis zum Ende ohne Verluste spielen zu können. In den Folgesätzen dagegen ermöglicht die leichtere Gangart der Komposition spanisch koloristisch angehauchtes Agieren und bietet damit einen Abwechslung bietenden Gegensatz. Du Plessis wird dem mit seinem, beiden Spielarten gerecht werdenden, Vorgehen bestens gerecht.
Wer den Eindruck hat, dass die Aufnahme einen eher historischen Klangeindruck bietet, liegt nicht falsch. Hat der Dirigent Maris Kupcs doch anhand alter Aufnahmen vom Beginn des 20. Jahrhunderts angestrebt, einen damals wohl ausgeführten Stil zu erreichen. Dabei stellen er und die Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin sicher, dass der Klangeindruck zurückblickt, die technische und gestalterische Qualität des Spiels aber heutigen Standards entspricht. Im Zusammenwirken mit dem Solisten zeigen sich Orchester und Dirigent einig in der Verwirklichung des gemeinsamen Interpretationsansatzes.
If you like 19th century music from France and perhaps also the cello sound, you will discover Charles-Marie Widor’s Concerto in E minor on this recording alongside the well-known work by Lalo in D minor.
Widor’s work can be heard for the first time on this recording from original manuscript notes that are sometimes unclear. It sounds clearly poetic and less like a solo showpiece. Widor, known for his organ music, transferred compositional elements for organ works to the cello concerto. Thus, the orchestration changes manuals and registers like an organ. His preference for monophonic melodic lines can also be heard in parts of the concerto. The cello part is scored for the instrument. Material from the first movement reappears in a different form in the finale, giving the piece a cyclical shape.
The cellist Graham du Plessis, who trained in England and is based in South Africa, has now recorded this successful combination as a soloist. Thanks to his good training and the experience he gained in Europe, it is easy for him to interpret these two stylistically similar pieces convincingly. In Widor’s concerto, he is able to play more unaccompanied cadenzas and recitative-like material than in the previously known version with piano reduction. Despite the lyrical side, it also offers the soloist plenty of nuts to crack, such as the high register, which often has to be played.
For the Lalo, he applies himself with energy in order to be able to play the almost uninterrupted, introverted solo line of the first movement to the end without any losses. In the following movements, on the other hand, the lighter pace of the composition allows for a Spanish, coloristic approach and thus offers a contrast that provides variety. Du Plessis does this justice with his approach, which does justice to both styles.
Anyone who has the impression that the recording offers a rather historical sound impression is not wrong. After all, conductor Maris Kupcs has used old recordings from the beginning of the 20th century to achieve a style that was well executed at the time. In doing so, he and the Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin ensure that the sound impression looks back, but that the technical and creative quality of the playing meets today’s standards. In their interaction with the soloist, orchestra and conductor are united in the realization of their common interpretative approach.