Der deutsche Komponist Enjott Schneider ist im Juli 70 geworden. Als Komponist wird er manchmal auf Filmmusik eingeengt, aber in Wirklichkeit hat er ein gewaltiges musikalisches Werk geschaffen – von Oratorien, Symphonien, Solokonzerten und Kammermusik bis hin zu Orgelwerken und Kirchenmusik. Als Anti-Avantgardist wird er im Darmstadt-geprägten Deutschland gerne ignoriert und als altmodisch angesehen. Wie irrig eine derartige Haltung ist, zeigt ein Buch, in dem der Leser staunend die Vielfalt der Schneiderschen Musik entdeckt.
Mit Texten von Schneider selber sowie anderen Autoren, zeichnet der im Rahmen der Reihe ‘Komponisten in Bayern’ herausgekommene Band ein faszinierendes Porträt dieser, wie es heißt, ‘multiplen Musikerpersönlichkeit’.
Schneider begann seine Karriere als Kirchenmusiker, kam dann zum Film und ab 1999 komponierte er zunehmend für Konzertsaal und Bühne. Sein Motto ist dabei: « Musik soll authentisch sein, wahrhaftiger Ausdruck eines Innerlichen und Verkörperung von archaischen Bildern, soll mit dem Geheimnis der so unbegrifflichen wie unerklärlichen Klangkraft einen Sog entfalten und die Menschen staunend in ihren Bann ziehen ». Dabei kümmert er sich wenig darum, ob seine Musik nun modern sei oder nicht, denn « Der Anspruch eines neuzeitlichen ‘analytischen Hörens’, den Papa Adorno für die ‘Neue Musik’ einforderte und gleichzeitig das ’emotionale Hören’ als Indiz für reaktionäres und gestriges Rezipieren verächtlich machte, dieser dogmatischen Anspruch hat viele Entwicklungslinien zerstört und ist heute nicht mehr zu halten ».
Schneider sieht keine Grenze zwischen alt und neu und auch keine zwischen den verschiedenen Kulturen der Welt. Seine Musik lässt sich ebenso von Gesualdo wie von Mozart oder Schubert inspirieren. Die europäisch-deutsche Musiktradition stellt sie in den Dialog mit der Musik der ganzen Welt. China hat ihn besonders fasziniert. In Schneiders Partituren finden sich chinesische Instrumente wie Sheng oder Dizi. Als wohl erster europäischer Komponist vertonte er in seiner Oper Marco Polo ein chinesisches Libretto.
Enjott Schneiders Musik ist im Konzertsaal, in den Soundclouds und auf CD präsent. Am Anfang seines großen Publikumserfolgs stand die Filmmusik zu Joseph Vilsmaiers Spielfilmen Schlafes Bruder und Herbstmilch. Heute werden seine Symphonien und Konzerte auf der ganzen Welt gespielt.
Dieser Band der Reihe ‘Komponisten in Bayern’ versucht, das umfangreiche Werk Enjott Schneiders zu erschließen und Wege zum Verständnis seiner Musik zu eröffnen. Neben der Beschreibung von einzelnen Genres wie Musiktheater, Filmmusik oder Vokalmusik stehen Kompositionsprinzipien im Mittelpunkt, die für Schneider zentral sind, « nämlich mit Musik zu erzählen, mit Musik oft verschüttete kulturelle Schichten der nahen und fernen Vergangenheiten wieder bewusst werden zu lassen und mit Musik, Kulturen der ganzen Welt erfahrbar zu machen. »
Komponisten in Bayern. Band 66: Enjott Schneider
Henkel, Theresa (Hg.), Messmer, Franzpeter (Hg.)
Allitera Verlag
ISBN: 978-3-96233-236-5
Website: https://www.enjott.com/