Diese CD macht in erster Linie auf einen jungen Dirigenten aufmerksam, der in einem kohärenten Shostakovich-Programm vollends überzeugt. Es ist der 33-jährige Österreicher Erich Polz, der fast, wie sein Vater, Weinbauer geworden wäre, aber nach dem Weinbau- und Wirtschaftsstudium dann doch 2008 ein Dirigierstudium begann.
Schon in der ‘Festlichen Ouvertüre’ erheischt das energische und präzise Dirigieren von Polz Aufmerksamkeit, besonders im dynamischen Detail. Die Ouvertüre wurde im Jahr 1954 anlässlich des 37. Jahrestages der Oktoberrevolution von 1917 komponiert. Eine schöne Abstufung der einleitenden Fanfaren und die nachfolgende, perfekt gesteigerte Virtuosität mit flirrenden Holzbläsern und Pizzicato-Streichern weisen auf eine sehr genaue Orchesterarbeit hin.
Shostakovichs Zweites Klavierkonzert entwickelt sich mit einem guten Dialog zwischen der Solistin Sabine Weyer und dem Orchester. Funkelnde Ecksätze mit pianistischer Brillanz und ein Andante, das vom Orchester wie von der Solistin sehr poetisch gestaltet wird, zeigen den Sinn für Nuancen so gut bei Weyer wie auch bei Polz.
Unbeschwerten Witz gibt es in Shostakovichs 9. Symphonie allenfalls im ersten Satz, aber dieser Humor – den Polz im Übrigen derart auf die Spitze treibt, dass er irreal wirkt – wird bereits im Moderato in Frage gestellt, lebt dann im Presto reduziert wieder auf, um in dem vor dem Finale eingeschobenen Largo mit viel ernst gemeinter Trauer aber auch mit einer Portion Galgenhumor (Anspielung auf Macphersons ‘Gang zur Hinrichtung’) wieder gebrochen zu werden.
Erich Polz lässt das Moderato zwar sehr ernst und auch vielleicht etwas traurig erklingen, aber unterschwellig schwingt auch ein Gefühl von Unsicherheit mit. Das Presto wird scharf formuliert und kühlt zum Schluss derart ab, dass der vorausgegangene Humor einen sehr bitteren Nachgeschmack bekommt. Die Fanfaren im Largo schneiden tief ins lebendige Fleisch, das Fagott antwortet mit einer schrecklichen Illusionslosigkeit, ehe es wie ein Stehaufmännchen das Allegretto einleitet, welches das problemschwangere Werk beendet. Polz steigert das Clowneske bis zum Geht nicht mehr, und sein Finale gerät damit so schräg wie das eben nur bei einem Dirigenten passieren kann, der verstanden hat, wieviel Spott und Ironie Shostakovich unter dieser Klassikmaske einer Haydn-Hommage versteckt hat. Die Nordwestdeutsche Philharmonie setzt dieses wissende Dirigieren brillant um.