Auf dem Cover: Ausreisende auf einem Schiff, Fliehende aus Nazi-Deutschland, darunter der Saxophon spielende ‘Nigger’ mit Judenstern, der das Plakat zur NS-Ausstellung ‘Entartete Musik’ ‘geziert’ hat. Das Cover ist von Rainer Ehrt. Auf ihm ist auch Hanns Eisler als 7. von links zu erkennen.
Es ist nicht zum ersten Male, dass sich der Bariton Matthias Goerne, der unbestreitbar zu den besten Liedinterpreten unserer Zeit gehört, sich mit dem Schaffen von Hanns Eisler (1898-1962) auseinandersetzt. Schon als die wertvolle Reihe ‘Entartete Musik’ auf den Markt kam, trug er zusammen mit Eric Schneider zu ihr bei mit dessen ‘Hollywooder Liederbuch’.
Dieses ‘Liederbuch’ ist auch eine der Grundlagen der neuen CD von Goerne bei Harmonia Mundi, die beiden andern aufgenommenen Werke sind Eislers Klaviersonate op. 1, die noch ganz im Banne von Arnold Schönberg steht, von diesem auch begeistert begrüßt wurde und einen gewichtigen Platz auf dieser CD einnimmt. Opus 1 sagt uns natürlich, dass sie das älteste der aufgenommenen Werke ist, uraufgeführt in Prag am 10. April 1923. In der spannenden, konsequenten und mit viel Intensität von Thomas Larcher, einem exzellenten Solisten und Begleiter, gespielten Werk zeigt sich, etwa im Vergleich zu dem ein Jahr später uraufgeführten Klavierkonzert für die linke Hand von Erich Wolfgang Korngold, die ganze Spannweite und Widersprüchlichkeit der musikalischen Ausdrucksvielfalt in Österreich und seinen früheren ‘Dependenzen’.
Wesentlich für Eisler war seine Begegnung mit Bertolt Brecht, die zu einer einzigartigen schöpferischen Verbindung wurde. Sie hielt an bis zu Brechts Tod am 14. August 1956. Brecht-Gedichte sind denn auch die Grundlage der auf dieser CD unter dem Titel ‘Lieder mit Klavier’ aufgenommenen Kompositionen. Sie stammen aus dem erwähnten ‘Hollywooder Liederbuch’, das Eisler nach 1942 im kalifornischen Exil gestaltet hat. Diesmal setzt Matthias Goerne fast ausschließlich auf Brecht-Vertonungen, aber das tut er so intelligent, dass daraus ein homogenes und dramatisches Ganzes wird. Thematisch reicht es von der Flucht übers Exil, von der zerstörten Vaterstadt über finstre Zeiten, Selbstmordgedanken bis zu etwas Hoffnung, verbunden mit einer neuen Solidarität. Mit dem ‘Solidaritätslied’ schließt denn auch die CD, doch dieses hat nichts mit Agit-Prop zu tun, sondern man erlebt, dank der hervorragenden Gestaltungskunst von Matthias Goerne, echte, großartige Liedkunst.
Höhepunkt der CD sind aber die gleich zu Anfang vorgetragenen ‘Ernsten Gesänge’, mit Vorspiel/Spruch und Epilog, in der Mehrzahl auf Gedichten des inneren Emigranten Friedrich Hölderlin beruhend. Eisler komponierte sie 1962, kurz vor seinem Tod. Goerne gestaltet sie auf unvergleichliche Art. Man ‘fällt’ sozusagen in diese Nachschöpfungen hinein, die derart nuanciert und differenziert sind, dass sie sich im Hörer einprägen und ihn nicht mehr loslassen. Dazu trägt das ‘Ensemble Resonanz’ aus Hamburg seine souveräne Partnerschaft bei. Diese CD muss als eine der eindringlichsten seit lange angesehen werden, zumal sie auch aufnahmetechnisch makellos ist. Ein Ereignis!
If the entire content of this outstanding CD is appealing, the absolute highlight is Goerne’s performance oft the Eisler-Hölderlin cycle ‘Ernste Gesänge’. The singer knows how to think his way into the composer’s state of mind to such an extent that the listener is literally drawn into the music.