Vom 21. Bis zum 29 Juni findet in Garmisch-Partenkirchen das diesjährige Richard-Strauss-Festival statt. Musikpublizist und ICMA-Jury-Mitglied Martin Hoffmeister sprach mit dem Dirigenten und Künstlerischen Leiter Alexander Liebreich über die Reihe.

Herr Liebreich, mit welchen Vorstellungen das ‚Richard-Strauss-Festival‘ zu profilieren, sind Sie angetreten, als Sie die Reihe im vergangenen Jahr übernahmen?
Wir stellten dem Gemeinderat in Garmisch-Partenkirchen einen sehr detaillierten Plan vor, wie wir das Festival umstrukturieren wollen. Zum einen gehört Richard Strauss fraglos zu den wichtigsten Persönlichkeiten der Region. Dem gilt es mit zeitgemäßen Strategien und einer avancierten Programmatik gerecht zu werden. Darüber hinaus geht es darum, sich als Festival mehr an den Gegebenheiten der Region und der einzelnen Spielstätten zu orientieren. Garmisch-Partenkirchen selbst verfügt über keinen traditionellen Konzertsaal, in der Region allerdings gibt es mit dem famosen Schloss Elmau, Kloster Ettal oder der Zugspitze großartige Spielstätten,  die man teilweise auch durch Wanderungen erreichen kann. Im Verein mit den bespielbaren Sälen in Garmisch-Partenkirchen ergibt das eine einzigartige Synergie, um Menschen aus aller Welt  anziehen und ihnen ein magisches  Amalgam aus Musik und Landschaft bieten zu können.

Wer Ihr Schaffen in den letzten Jahren verfolgt hat, weiß, dass Sie eine große Affinität zu Richard Strauss‘ Musik haben. Worin liegt das grundsätzliche Faszinosum dieses Werkekosmos’?
Richard Strauss war ein Mensch, der sich auf geniale Art immer treu blieb in dem was er tat, inklusive den Dingen, die wir heute auch kritisch betrachten müssen. Er wurde in eine Zeit geboren, die zahllose existentielle Herausforderungen und Katastrophen mit sich brachte. Nicht immer vermochte Strauss, darauf adäquat zu reagieren. Selbst zwischen 1933 und 1945 bediente er sich  unbeirrt seiner poetisch aufgeladenen Musiksprache, ohne Stellung zu beziehen. Doch bei aller Kritik fällt immer wieder auch die Genialität seiner Partituren ins Gesicht. Ich hatte meine Initial-Begegnungen mit Strauss‘ Werk mit den Opern ‘Salome‘ und ‘Elektra‘, die zweifellos den Höhepunkt seines Schaffens darstellen. In den vergangenen Jahren habe ich mich  dann zeitlich gleichermaßen nach vorn und nach hinten getastet bis hin zum Oboenkonzert und den ‘Metamorphosen‘, seinen finalen Werken.

Richard Strauss bei einem Konzert in Luxemburg, im Jahre 1939

Rein numerisch betrachtet ist Strauss‘ Oeuvre überschaubar. Bietet es sich vor diesem Hintergrund an, seine Werke programmatisch an die anderer Komponisten zu koppeln?
Genau das war immer Strauss’ Ansatz. Als Gründer diverser Institutionen und Festspiele bemühte er sich als Dirigent und Kapellmeister immer, seine Musik anderen Werken gegenüberzustellen. Zudem machte sich Strauss um die Förderung anderer Kollegen und Dirigenten verdient und setzte sich für die Komponistenpflege bei der GEMA ein. Er fungierte also nicht nur als Komponist, sondern engagierte sich als humanistisch geprägter Mensch auch übergreifend im Kultursegment. Strauss‘ Werke sind Bestandteil des globalen Konzertkanons. In Garmisch-Partenkirchen aber kann man überdies den Richard-Strauss-Orten und dem Geist seines Werkes nachspüren.

Mit den unterschiedlichen, bisweilen exklusiven Spielstätten in und um Garmisch-Partenkirchen vermochten Sie bereits im letzten Jahr, das suggestive Landschaftspanorama der Gegend systematisch in das Festival zu integrieren. Werden Sie 2019 auf dieser Basis weitergehen?
In diesem Jahr kommt als neuer Spielort die Zugspitze hinzu. Darauf habe ich schon sehr lange hingearbeitet. Die Natur dieser Region hat eine parareligiöse Dimension, nicht nur für Richard Strauss, sondern auch für mich und alle anderen, die dafür empfänglich sind. Man nimmt etwas Großes wahr, etwas, das weitaus größer ist als der Mensch. Genau das spiegelt das Werk von Strauss, genau das bildet den Kern seiner Musik. Eigentlich liegt kein religiöser Hintergrund vor, aber man vernimmt doch eine gewisse Spiritualität, die einen dazu bewegt, sich als Mensch zurücknehmen.  In der Bergwelt fühlt man sich als ein Teil eines größeren Ganzen. Als Stadtbewohner, der gelernt hat, vor allem um sich selbst kreisen, erfährt man die Berge als willkommenes Korrektiv.

Hat sich Strauss von diesen magischen Landschaftstableaus nur inspirieren lassen, oder hat er sie unmittelbar in Klänge transferiert?
Ohne Frage Letzteres: ‘Also sprach Zarathustra’ ist ein klassisches Beispiel. Die kompakte Partitur, die die Naturtonreihe und Naturinstrumente reflektiert, klingt nie unangemessen überladen, sondern ist von  Strauss harmonisch und farblich ‘en détail’ durchdacht. In ihrer Variationsvielfalt entspricht sie einem Naturpanorama. Ungemein beeindruckend!

Unter Ihrer Leitung hat sich das Festival deutlich verändert. Wie wurde das vom Publikum, von den Menschen vor Ort  und der Politik aufgenommen?
Wir arbeiten sehr eng mit dem Gemeinderat zusammen. 2018 haben wir ein Programm für ein breites Publikum entwickelt u.a. mit offenen Podien für Musikschulen und Ausstellungen. All das wird in diesem Jahr fortgesetzt und laufend erweitert. So wird etwa ein Schwerpunkt der Ausgabe 2019 das literarische Thema ‘Sommernachtstraum‘ sein. Es geht insbesondere um die Idee der Freiheit und den Gedanken der Poesie, den nicht selten bereits Kinder für sich entdecken. Dieses Thema spricht natürlich nicht nur Strauss-Liebhaber an, sondern reflektiert das Thema Kultur im Allgemeinen.

Im Gegensatz zu großen Festivals mit zum Teil über 50 Veranstaltungen, die grundsätzlich alle Formen, Stile, Gattungen und Genres abbilden können, müssen die ‘Richard-Strauss-Festtage‘ sich eher fokussieren, um ein klares Profil etablieren zu können.  Wofür steht die Reihe?
Mit dem Festival möchte ich thematisch konkret Stellung beziehen. In Kontrast mit Werken anderer Komponisten soll die Musik von Richard Strauss neu gehört werden können. Aber auch durch unkonventionelle Ideen, überraschende Volten sind originäre Hörerlebnisse zu erzielen. Im letzten Jahr etwa ließen wir die ‘Metamorphosen‘ auf historischen,  und wie 1945/46 mit Darmsaiten bespannten, Instrumenten spielen. In diesem Jahr werden wir  Strauss-Werke Kompositionen von Dvorak und Mendelssohn gegenüberstellen. Alle drei verbindet ja die Liebe zu Natur und Landschaften. Außerdem haben wir mit Golda Schultz und Asmik Grigorian zwei bedeutende Sängerinnen für  Liederabende eingeladen, und auch unser ‘Rising Stars‘- Programm mit sechs Künstlern aus drei verschiedenen Ländern wird erneut aufgelegt werden. Ein Festivalhöhepunkt dürfte  am Tag des Johannisfeuers ohne Frage der Klavierabend mit Piotr Anderszewski auf der Zugspitze werden.

Nach welchen Kriterien wählen Sie Künstler, Ensembles und Orchester aus?
Mich interessieren in erster Linie Künstler, die einen Bezug zu Strauss haben. Mit Ulrich Matthes und Christian Brückner sind in diesem Jahr auch zwei hochdekorierte Schauspieler vertreten, die sich dem Sujet ‚Poesie‘ widmen. Es geht dabei auch um Übergänge und Verbindungen zwischen Wort und Musik.

Begreifen Sie das Thema Musik grundsätzlich umfassend?
Es kann gar nicht anders begriffen werden, denn wie anders sollte sich  Inspiration einstellen? Es sind ja in erster Linie die Erfahrungen des Lebens, die die Musik bereichern.

http://www.richard-strauss-festival.de/

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