Der Gastdirigent Richard Egarr präsentierte zusammen mit dem Hausorchester Orchestre Philharmonique du Luxembourg ein Programm, dass der Gast unter den Titel Obsession, also Besessenheit, stellte. Was es damit auf sich hatte, weiß Uwe Krusch für Pizzicato.
Bei dem auch für die jetzige Zeit kurzen Programm fühlte der Dirigent sich angeregt, für jedes der drei Werke eine kurze Einleitung zu geben. Wenn sich auch die Engländer als autistisch agierend auf ihrer Insel verschanzt haben, so muss man doch sagen, dass zumindest die über die Klippen bei Dover hinausblickenden Künstler nach wie vor eine Bereicherung auch der kontinentalen Musik bringen. So konnte Egarr in seiner Muttersprache mit typisch englischem Humor seinen Gedanken, dass jedes der Stücke von Besessenheit geprägt ist, belegen. Bei der Ouvertüre zu Coriolan von Beethoven geht es den römischen Feldherrn Gnaeus Marcius Coriolan, der sich in seiner starrsinnigen Art nach einer Auseinandersetzung mit den Plebejern gegen seine eigene Stadt Rom wandte. Mit Haoxing Liang auf dem Konzertmeisterstuhl wurde den ganzen Abend über eine straff und sorgfältig organisierte Orchesterleistung geboten, die mit dieser Ouvertüre von Beethoven eine von Anfang an sowohl gut strukturierte als auch spannungsgeladene Deutung garantierte.
Bei der Fuge ‘a tre soggetti‘ aus der Kunst der Fuge von Johann Sebastian Bach in der von Hermann Diener arrangierten Fassung für Streichorchester sah Egarr die Besessenheit, die Bach für die Fugenkomposition hegte und gab Erläuterungen zum Aufbau des Werkes. Hier überraschte Egarr das Solistenquartett damit, dass er diesen intimen Kreis auch nur mit der Nase und nicht den Händen dirigieren wollte. In der Bratschenstimme war die Überraschung so groß, dass der Einsatz misslang, was gerade in einer Fuge natürlich katastrophal ist. Deswegen setzte Egarr dann wieder seine Hände ein.
Den Abschluss bot die zweite Symphonie von Robert Schumann. Hier attestierte der Gast die in vielen Zitaten der Werke anderer Komponisten zum Ausdruck kommende Besessenheit für die Musik. Mit einem runden Ansatz, der eine klangvolle dichte und keine skelettierte Aura erzeugte, wurde ein sehr treffendes Erlebnis geboten. Mit zehn ersten Geigen besetzt war das Orchester weder symphonisch noch kammermusikalisch klar zuzuordnen, so dass auch ein gemischter Eindruck entstand, der nicht wie in neueren Lesarten üblich kammermusikalisch transparent, aber auch nicht symphonisch verklebt erklang. So erzielten sie eine warm durchleuchtete Sicht, die der Symphonie gut anstand. Erfreulich auch, dass sich das Orchester an diesem Abend mit der auf Einzelpulte reduzierten Besetzung eingestimmt und allenfalls kleine Abstimmungsprobleme hatte. Neben dem ausgefeilten Einsatz aller Orchestergruppen gelang es Egarr auch, das Ensemble zu einem inspirierten und animierten Spiel anzuregen, dass die Sinfonie mit Verve belegte und diesen an die Hörerohren gelangen ließ. So viel Energie und Musikfluss wünscht man sich noch öfter vom OPL zu erleben. Dafür bietet hoffentlich die neue Saison bald wieder gute Gelegenheiten.