Die rund dreiviertelstündige Symphonie Alle Tage eröffnet mit offenen und verwirrenden Momenten. So wollen sich die erklingenden Moll-Akkorde nicht so recht einer Tonart zuordnen lassen. Und der anfängliche scheinbare Trompetenruf entpuppt sich als einer des Flügelhorns. In diese musikalisch gewollt offene Landschaft setzt Larcher dann drei Texte von Ingeborg Bachmann aus dem frühen Gedichtband ‘Anrufung des großen Bären’ sowie am Ende den titelgebenden aus ‘Die gestundete Zeit’. Vor diesen Schlusssatz hat Larcher zwei rein instrumentale Sätze eingefügt, die einen Großteil der Zeit für sich beanspruchen.
Das Violinkonzert bietet in knapp 25 Minuten mit zwei Sätzen, die sich jeweils in einen langsamen und einen folgenden schnellen Teil gliedern, dann formell fast schon einen Blick zurück in barocke Sonatenformen. Klingend hat das Konzert dann die große Konzerttradition der beiden letzten Jahrhunderte im Hinterkopf. Die Anknüpfungen reichen vom Tintinnabuli-Stil bis zu südosteuropäischer Volksmusik. Dort bleibt die Solostimme abrupt wie sinnentleert stehen und dahinein tickt symbolisch die weiterlaufende Uhr, angezeigt durch Trommeln und Kuhglocken. Schon diese unvollständigen Eindrücke zeigen das weite Panorama an Gedanken und Intentionen, das bemerkenswert gestaltet wurde.
In der Symphonie kann Adrian Eröd nicht nur mit einer wunderbar gefälligen Baritonstimme, sondern auch mit klarer Artikulation und einnehmender Gestaltung seiner Partie gestalterisch überzeugen. Im Violinkonzert zeigt Benjamin Beilman, dass er die Solostimme sowohl mit gestalterischer Finesse wie auch technischer Sicherheit gestalten kann.
Mit drei Heimstätten gehört das Tonkünstlerorchester zu den umtriebigen österreichischen Botschaftern in Sachen Kultur. Im eigenen Label präsentiert das Ensemble die Musik von Thomas Larcher mit bestem Gespür, um die innere Stimme der Werke zu vermitteln. Die reicher instrumentierte Symphonie gelingt da ebenso wie das dünner gesetzte Violinkonzert.
Bei der Symphonie schält Hannu Lintu die in dem Stück angelegten Klangfarben transparent und leuchtend heraus. Seine reichhaltige Erfahrung im Opernmetier bietet die Möglichkeit, der Singstimme den Platz zu organisieren, den sie für ihre Entfaltung benötigt, ohne vom Orchester gedrängt zu werden. Der noch junge Pierre Bleuse bietet zusammen mit dem Solisten für das Konzert genau die Breite an Emphase und Stringenz, die für das Konzert zu einer eminent hörenswerten Deutung führt. Seine Erfahrung gerade bei zeitgenössischem Repertoire zeigt hier Früchte für die gelungene Darstellung.
Beide Werke sind auch aufnahmetechnisch sehr professionell eingefangen worden, so dass dem Genuss dieser immer wieder auch klanglich einnehmenden Musik nichts im Wege steht.
The symphony Alle Tage, which lasts about three quarters of an hour, opens with open and confusing moments. The minor chords, for example, do not quite want to be assigned to a key. And the initial apparent trumpet call turns out to be one of the flugelhorn. In this musically deliberately open landscape, Larcher then places three texts by Ingeborg Bachmann from the early volume of poems Anrufung des großen Bären and, at the end, the titular one from Die gestundete Zeit. Before this final movement, Larcher has inserted two purely instrumental movements that occupy much of the time.
The Violin Concerto, in just under 25 minutes with two movements, each divided into a slow and a following fast section, then formally almost offers a glimpse back into baroque sonata forms. Sound-wise, the concerto then has the great concerto tradition of the last two centuries in mind. The connections reach from the Tintinnabuli style to southeastern European folk music. There the solo voice stops abruptly, as if empty of meaning, and into it symbolically ticks the clock that continues to run, indicated by drums and cowbells. Already these incomplete impressions show the wide panorama of thoughts and intentions, which has been remarkably shaped.
In the symphony Adrian Eröd can convince not only with a wonderfully pleasing baritone voice, but also with clear articulation and engaging shaping of his part. In the concerto, Benjamin Beilman shows that he can play the solo part with both creative finesse and technical assurance.
With three home venues, the Tonkünstlerorchester is one of Austria’s most active ambassadors in matters of musical culture. In its own label, the ensemble presents the music of Thomas Larcher with the best sense of conveying the inner voice of the works. The richly orchestrated symphony succeeds just as well as the thinner violin concerto.
In the symphony, Hannu Lintu brings out the timbres inherent in the piece transparently and luminously. His rich experience in opera offers the possibility to organize the singing voice the space it needs for its development without being crowded by the orchestra. The still young Pierre Bleuse, together with the soloist for the concert, offers exactly the breadth of emphasis and stringency that leads to an interpretation eminently worth hearing. His experience, especially with contemporary repertoire, bears fruit here for the successful performance.
Both works have also been recorded very professionally, so that nothing stands in the way of enjoying this music, which is always engaging in terms of sound.