Nachdem der Bachchor Mainz unter seinem Künstlerischen Leiter Ralf Otto bei Naxos bereits die Johannespassion veröffentlicht und die Matthäuspassion aufgenommen hat, stellt er nun seine Interpretation des Weihnachtsoratoriums vor. Der berechtigten Frage, warum man dem gesättigten Markt an guten Aufnahmen eine weitere hinzufügt, kann er dabei durchaus selbstbewusst begegnen.
Die Produktion überzeugt. Die wenigen Kritikpunkte, die man ob der Vielschichtigkeit des Werks (übrigens an jeder noch so guten Aufnahme) anbringen möchte, erweisen sich fast immer als subjektiv. Ralf Otto ist ein ausgewiesener Bach-Spezialist und hat mit seinem Chor und Orchester herausragende und bestens aufeinander abgestimmte Instrumente zur Verfügung, die er zur wortgetreuen Auslegung der Musik einzusetzen weiß. Sie agieren verlässlich – auch und gerade bei den zuweilen halsbrecherischen Tempi. Chöre und Choräle werden einzeln ausgedeutet; Otto folgt hier semantischer Logik und lässt elegant überbinden, wo es der Text erfordert. Alles gerät äußerst fein und nur in wenigen Fällen möchte man das Tempo etwas forcieren oder drosseln – doch das ist eben Geschmackssache.
Reich beschenkt wird der Hörer auch mit der Wahl der Solisten: Katharina Magieras Alt ist wunderbar unaufgeregt und schmiegt sich wohlig in den Orchesterklang; auch Bass Thomas E. Bauer singt seine Arien und Rezitative mit baritonaler Schlankheit und äußerst spannungsreich. Ein Segen gar ist Georg Poplutz, der sowohl seine Rezitative als auch die Arien mit federleichten Koloraturen und als delikater Erzähler meisterhaft gestaltet – besser kann man es kaum machen. Einzig Sopranistin Julia Kleiter setzt phasenweise zu viel Vibrato ein und schmälert damit den ansonsten äußerst homogenen Klang des Solistenquartetts.
Ein Juwel ist die Sinfonia in der zweiten Kantate: Das auf historischen Instrumenten spielende Bachorchester agiert mit einer fesselnden Dichte, pulsierend und doch sanft wiegend mit cremigen Bläsern und weichen Streichern – es würde nicht stören, wenn Ralf Otto dieses Stück einfach mehrmals hintereinander anstimmen würde.
Der Dirigent hat bereits eine prominent besetzte Gesamteinspielung von BWV 248 vorgelegt – im Jahr 1991 bei Capriccio. Jede weitere Aufnahme des Werks nähert sich auf ihre Weise dem Mysterium der Musik an – mal, mal weniger. Diese hier setzt allerdings Maßstäbe: An ihrer Aussage werden sich Folgende mehr messen lassen müssen.