Als ich Filippo Gorini 2016 beim Beethoven-Festival in Warschau in den Diabelli-Variationen hörte, notierte ich, dass der junge, heute 22-jährige Pianist « perfekt ‘beethovenisch’ spricht. Er spielte die Diabelli-Variationen ohne jede Unterbrechung, sehr flüssig, quasi durchgehend spannungsvoll, sehr impulsiv und sehr sensibel zugleich ». Diese souveräne Leistung wiederholt der Italiener jetzt auf dieser Debüt-CD.
Die Interpretation gewinnt ihre innere Spannung durch den Wechsel von Dramatik und fein nuancierter Verinnerlichung. Die Selbstverständlichkeit und die überlegene Reife, mit der Gorini hier musiziert, sind schon außergewöhnlich.
Ich liebe seinen jugendlichem Drang, seine dezidierte Attacke und seine vertiefend reflektiven Momente, wenn sein Klavier quasi nur noch flüstert oder in der Variation Nr. 29 wie flehend wirkt. Überhaupt sind die drei langsamen Variationen 29-31 ein Höhepunkt dieser Einspielung.
In seinem bemerkenswerten Aufsatz über die Diabelli-Variationen im Textheft der CD erklärt der Pianist seine Sicht der Dinge: « Während dieser Reise erforscht Beethoven die menschliche Natur in ihrer Vielfalt, ohne auf die Verwendung von Ausdrucksweisen zu verzichten, die der Tradition zufolge unvereinbar sind: vom Tanz zur Raserei, von Spott zu nüchterner Betrachtung, von forscher Energie zu geheimnisvollen Tiefen, von Kummer zur Freude. In diesem mannigfaltigen Tonfall können die Variationen auch als das höchste Beispiel einer Komödienmusik verstanden werden, einer Komödie des positiven (aber nicht unbedingt leichten) Charakters, der vom Bescheidenen zum Erhabenen reicht. Dieser spiralförmige Tanz hat eine erlösende Kraft, er scheint, uns ans Firmament zu erheben, und erinnert uns an Beethovens Liebe zur und Hoffnung auf die Menschheit, für die Schillers Ode an die Freude sinnbildlich steht. »
Aus dieser Sicht heraus entsteht das Drama der Variationen bei Gorini. Und eins ist gewiss: Die Kühnheit des Opus 120 haben nicht viele Pianisten so zwingend dargestellt wie der junge Italiener.