Wie intelligent ist Wozzeck? Sehr intelligent, wenn man Christian Gerhaher sieht. Am Anfang zeigt das ein oft sehr wacher Blick. Nur wird dieser Blick im Laufe der Oper immer gestörter. Gerhahers Zeichnung der Figur ist genial, denn er zeigt eine Entwicklung bei Wozzeck, er hilft uns zu verstehen, was mit diesem Charakter passiert. Stimmlich und darstellerisch wird künftig alles an dieser Leistung zu messen sein. Es hat sehr gute Interpreten der Rolle gegeben, aber keiner hat die Figur so ausgelebt, so ausgefüllt wie Gerhaher. Nicht nur die Mimik ist phänomenal, auch das Stimmdarstellerische, die Vielzahl an Färbungen Akzenten und Wortdramatisierungen zeigen die eminente Kunst dieses Sängers.
Gerhaher ist das eine Element, das diesen Zürcher ‘Wozzeck’ herausragend werden lässt. Das andere Element ist die Inszenierung von Andreas Homoki im Bühnenbild von Michael Levine. Sechs große Bilderahmen bilden die Bühne. Die Rahmen verschieben, heben und senken sich, sie helfen die Symbolik zu verstärken und schaffen gleichzeitig Gänge, in denen die handelnden Personen ihre Zwänge ausleben und hin und her gehen wie Vieh im Schlachthof. Homokis Inszenierung ist genial und sicher eine der besten und zwingendsten Regieleistungen in dieser Oper.
Gun-Brit Barkmins charaktervolle Stimme gibt der Marie viel Relief, und auch die übrigen Rollen sind ausnahmslos gut besetzt und werden von Homoki in ihrer ganzen psychologischen Bedeutsamkeit zum Leben erweckt.
Fabio Luisi dirigiert zupackend, und sein Orchester entwickelt einen vollen, warmen Klang. Exzellent ist auch die Kameraführung, so dass man ohne Zögern diese ‘Wozzeck’-Produktion als ein Opern-Highlight des Jahres 2016 und als Referenz für Alban Bergs Oper ansehen muss.