Johannes Brahms: Klavierkonzerte Nr. 1 & 2, Balladen Nr. 3 & 4 op. 10; Tzimon Barto, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Christoph Eschenbach; 2 CDs Capriccio C5210; 2012/13 (ca.140') – Rezension von Remy Franck

Diese Aufnahmen sind derart extrem, dass sie zwangsläufig dividieren. Man muss schon sehr offen sein für neue Ansichten, und vor allem bei Brahms keine festgefahrenen Meinungen haben, um diesen Brahms zu akzeptieren.
Im Ersten Konzert tue ich es, weil bei allen extremen Tempi und einem nie gehörten Rubato die Musik sehr gut wirkt und nie falsch klingt. So lyrisch hat man den ersten Satz des ersten Brahms-Konzerts noch wohl nie gehört, so viel Zärtlichkeit hat kein anderer darin entdeckt. Und das ist eine völlig neue und bereichernde Erfahrung, auch wenn man diskutieren kann, inwieweit dies noch genuiner Brahms ist, zumal wenn man, wie ich, vor 50 Jahren dieses Werk mit Julius Katchen entdeckt hat und eigentlich jede neue Erfahrung an den damals gespeicherten Eindrücken misst.

Katchen braucht für den ersten Satz 21 Minuten und 4 Sekunden, Barto spielt ihn in 25 Minuten und 28 Sekunden, also ca. 17% langsamer. Und der zweite Satz dauert bei Barto und Eschenbach auch ca. 4 Minuten länger. Man muss ein sehr guter Pianist sein, um bei solchen Tempi die Musik nicht auseinanderbrechen zu lassen, und man braucht einen Dirigenten wie Eschenbach, der das dann auch auffangen und begleiten kann, ohne, dass die Spannung auch nur für kürzeste Zeit fällt. Das Rondo ist mit 12’36 » gegenüber 11’25 bei Katchen schon fast normal.

Weniger begeistert hat mich der erste Satz des Zweiten Konzerts, der mit der eigenwilligen Art der Rhythmik doch eher manieriert wirkt. Eschenbach gelingt es, das eigenwillige und klar artikulierte Spiel des Pianisten effektvoll zu unterstützen und zu verzieren, aber die Musik zerbröselt dann doch. Das gilt auch für das Allegro appassionato, das, so ver- und zerspielt, den Charakter des Appassionato weitgehend verliert.

Das Andante kommt Barto wie auch Eschenbach natürlich sehr entgegen und erklingt in einer bewegend stimmungsvollen, sehr poetischen Interpretation. Die schwebend-leichte Art, wie aus dem Andante das Allegretto grazioso erwächst, ist ein musikalischer Leckerbissen. Leider kommen dann wieder den ganzen Satz über extravagante rhythmische Ideen, die hin und wieder ganz nett wirken, in ihrer Summe aber Manierismus pur sind.
Unter dem Strich bleibt freilich immer noch genug übrig, um dieses Album interessant werden zu lassen, weil es dem Hörer die Gelegenheit bietet, sich auf eine ganz neuartige Weise mit den Brahms-Konzerten auseinander zu setzen.

These two very special performances of Brahms’s Piano Concertos will divide the audience. Tempi are very slow, the rhythmic is extravagant, especially in the second Concerto, and if this composition is at the end less appealing, the First Concerto is a truly enriching experience.

 

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