Boris Lyatoshinsky war einer der vielen Komponisten, die von den Sowjets wegen ‘Formalismus’ boykottiert wurde. Nun setzt sich Kirill Karabits für den immer noch nicht wirklich anerkannten ukrainischen Landsmann ein.
Die Dritte Symphonie entstand 1951. Der Komponist sagte dazu: « Ich habe mich immer als nationaler Komponist im vollsten Sinne des Wortes gefühlt, und ich werde ein nationaler Komponist bleiben, was ich nicht durch Worte, sondern durch Taten beweisen werde! » Das Werk mit dem Untertitel ‘Der Frieden wird den Krieg besiegen’ wurde als anti-sowjetisch empfunden und zur Uraufführung (mit den Leningrader Philharmonikern unter Evgeny Mravinsky) kam es erst nach einer Überarbeitung im Jahre 1955.
Kirill Karabits dirigiert natürlich die Originalversion. Die Mutter des Dirigenten, Maryana Kopytsya, gilt als die führende ukrainische Autorität für Lyatoshinskys Musik und ist laut einer Aussage im Booklet der CD « davon überzeugt, dass es das ursprünglich vom Komponisten geschriebene Finale ist, das aufgeführt werden sollte. Die ersten drei Sätze lösen die ihnen innewohnende Spannung nicht auf, und Lyatoshinsky entwarf die Struktur des Finales als Mittel, mithilfe dessen dies erreicht wird und der Konflikt dem Optimismus weicht. Bei dem epischen Charakter der Sinfonie, die eine Fülle an Emotionen umfasst – Tragödie und Verzweiflung werden Hoffnung und Versöhnung entgegengesetzt –, handelt es sich um die Reaktion des Komponisten auf den Zweiten Weltkrieg, während dessen die Ukraine schwer unter der Besetzung durch die Nazis zu leiden hatte. Kiew war zwei Jahre lang besetzt, und in der Babi Jar-Schlucht, die sich innerhalb der Stadtgrenzen befindet, wurden im Krieg über 100.000 Menschen in einer Reihe gegen verschiedene Bevölkerungsgruppen gerichteter berüchtigter Gräueltaten ermordet. Als mitfühlende, starke Aussage über die Realität des Krieges steht Lyatoshinsky Dritte Sinfonie in einer Reihe mit Schostakowitschs Siebter und Achter Sinfonie sowie Brittens War Requiem. »
Der erste Satz klingt bedrohlich und unheilverkündend, wenn auch kurze Hoffnungsschimmer nicht ausbleiben. Durch die Zusammenwirkung einer überaus kräftigen Akzentuierung und eines sehr intensiven Musizierens mit einem gedrosselten Tempo erlangt dieser Satz bei Karabits eine Spannkraft und einen musikalischen Reichtum, der den Hörer überwältigt.
Der zweite Satz, Andante con moto, beginnt mit einem sanft wiegenden Ostinato, und wenn so manches in diesem Satz Trost zu versprechen scheint, so bleibt die Musik nicht von Kriegsthematik verschont.
Das ungezügelte Scherzo, mit sechs Minuten der kürzeste Satz, ist trotz des ruhigeren Trios ein jähes wildes Nachtstück von zerstörerischer Kraft. Das ‘Bournemouth Symphony’ zeigt hier eine phänomenale instrumentale Virtuosität.
Das Finale soll den Sieg des Friedens darstellen. Die Musik fließt kantabel, mit positiveren Grundgedanken, und wird von Kirill Karabits mit feierlicher Geste spannend gesteigert.
Die symphonische Ballade ‘Graschyna’ ist eine Hommage an den polnischen Schriftsteller Adam Mickiewicz (1798-1855). Die Musik folgt der gleichnamigen Erzählung, welche das Heldentum und Märtyrertum der Titelheldin im Kampf mit den Truppen des Deutschritterordens beschreibt. Wie die Symphonie ist auch dies ein starkes Stück, das von Kiril Karabits mit einer faszinierenden Szenerie dargestellt wird.