In den langsamen Passagen der Ouvertüre ‘In the South’ und im Larghetto der Streicherserenade stellt sich für mich die Frage, ob Vasily Petrenko gerade als Russe nicht ein besonderes Gespür für die wahre Seele von Edward Elgar hat. Aber auch im Rest dieser Stücke verliert Elgar seinen phlegmatischen Charakter zugunsten einer anderen Sensibilität, einer, die mich anspricht. Es ist eine Art musikalischer Brexit mit durchaus positivem, gewinnbringenden Charakter. Dieser Eindruck bestätigt sich in den ‘Enigma Variations’, wo auch dunkle Klänge bar jeder Schwere sind, ohne jegliches Pathos. Etliche Stücke aus den Variationen haben einen Schwung und einen Enthusiasmus, der total erfrischend ist. Sehr schön gelingen ihm aber auch Nimrod, das Andante und die Romanze.
Die Frage stellt sich nun, ob Petrenko mit dieser so unenglischen Lesart von Elgars Musik falsch liegt und Verrat am Komponisten übt? Ich glaube nicht, und rufe den Komponisten selbst in den Zeugenstand, der 1906 in einem Vortrag sagte: « An Englishman will take you into a large room, beautifully proportioned, and will point out to you that it is white – all over white – and somebody will say what exquisite taste. You know in your own mind, in your own soul, that it is not taste at all – that is the want of taste – that it is mere evasion. English music is white, and evades everything. »
Elgar war ein Outsider, nicht nur weil er Katholik war und nicht Mitglied der ‘Church of England’. Musikalisch ist er der deutschen Romantik und Spätromantik näher als der englischen Musik. Man hat ihm freilich oft einen englischen Anstrich verpasst, und den hat Petrenko abgekratzt.