Ob sie nun Marguerite ist, Manon, Rosina, die Contessa in Mozarts ‘Le Nozze di Figaro’ oder Salome, Elsa Dreisig ist in allen Rollen eine perfekte Gestalterin, und das ist das wirklich Außergewöhnliche an diesem Programm. So eine Wandlungsfähigkeit hatte ich mir nicht erwartet. Von Arie zu Arie wächst daher die Begeisterung, und der Hörer ist einfach nur erstaunt über die immense Farbpalette, die es der jungen Sängerin erlaubt, für jede Rolle, für jeden Gefühlsausdruck die richtige Färbung zu finden. So etwas habe ich schon seit langen Zeiten nicht mehr gehört, und es ist gewiss etwas, das eine Netrebko nicht fertigbringt.
Die Spannweite von Elsa Dreisigs umfangreicher Stimme, die von edler Musikalität, echter Gefühlsintensität und stilsicherem Formwillen geprägt ist, erlaubt es ihr, so unterschiedliche Partien zu singen wie sie auf dieser Platte vorhanden sind. Ihre virtuose Koloraturtechnik hindert sie nicht daran, Figuren zu vermenschlichen, denn sie kann auch zarteste Töne beseelt formulieren und mit ihrer dunkel gefärbten Mittellage genuinen Ausdruck erzielen. Dazu kommt der Zauber ihres charakteristischen Timbres, und all das zusammen verdient höchste Anerkennung.
Zum Programm sollte man anmerken, dass Elsa Dreisig die Schlussszene aus Salome in der französischen Fassung singt, die weitgehend auf Oscar Wildes französischem Originaltext beruht.
Die 2017 als ‘Young Artist of the Year’ der ‘International Classical Music Awards’ ausgezeichnete Sängerin ist heute, mit 27 Jahren, zur internationalen Spitzenklasse zu zählen. Sie ist ein Phänomen höchster Gesangskultur mit ungewöhnlicher Ausdruckstiefe.