Frau Penderecka, Sie haben einen Komponisten als Ehemann, und neben Ihrer Familie ein weiteres Kind, die Ludwig van Beethoven-Vereinigung. Und es ist wohl eine heikle Frage, die ich stelle: Was ist denn nun am wichtigsten für Sie?
Das Allerwichtigste ist für mich die Arbeit meines Mannes! Wir sind seit mehr als 50 Jahren verheiratet. Das ist die Zeit, in der mein Mann seine größten Werke geschrieben hat. Seit Jahren reise ich mit ihm zusammen durch die Welt, bin bei allen Proben dabei. Ich habe stets versucht, ihm zu helfen, so viel ich konnte, ihm so viel wie möglich abzunehmen, damit er sich ganz dem Komponieren widmen konnte.
Sie sind also eine Art Managerin für ihn?
Ja, so in der Art… Man sagt, ich sei seine Frau, seine Managerin und seine Finanzministerin. Er hat bereits sehr viel komponiert, aber er hört nicht auf, auch wenn er schon über 80 ist. Ich habe von Anfang an gesehen, dass man alles von ihm wegnehmen muss, was nicht nötig ist, damit er komponieren kann. Deswegen habe ich meine Karriere als Wissenschaftlerin – ich habe Physik studiert – aufgegeben und mich der Arbeit meines Mannes gewidmet.
Müssen Sie ihn manchmal auch anspornen, damit er schreibt?
Manchmal schon, zumal wenn Termine anstehen. Er hat natürlich neben der Musik noch viele andere Interessengebiete. Malerei interessiert ihn sehr. Er malt sehr gut. Auch Architektur interessiert ihn, denn das war ein Beruf, den er eine Zeitlang ins Auge fasste. Und seine größte Liebe sind die Bäume. Er ist unter den Musikern wahrscheinlich der größte Dendrologe. Und er betont oft, dass für ihn die Dendrologie heutzutage viel wichtiger ist als die Musik. Ich glaube, es ist umgekehrt. Aber sein Arboretum gibt ihm eine enorme Ruhe, und das hilft ihm beim Komponieren.
Bespricht er eigentlich auch mit Ihnen, was er komponiert?
Nein, eigentlich nicht. Er ist zwar kein introvertierter Mensch, aber er spricht wenig über seine Arbeit. Ich kann jedoch schon verfolgen, was er macht. Ich kann auch ein bisschen Partitur lesen, obwohl ich keine Musikerin bin. Ich bin jedoch in einer musikalischen Familie groß geworden. Mein Vater war Rechtsanwalt und zugleich auch Konzertmeister der Krakauer Philharmonie sowie Professor an der Musikakademie. Das kam daher, dass er nach dem Krieg, im kommunistischen Polen nicht als Rechtsanwalt arbeiten wollte.
Meistens spreche ich mit meinem Mann nach den Konzerten über die Musik. Wenn ich nicht zufrieden bin, sage ich es. Er behauptet, dass ich eine ganz scharfe Kritikerin bin. Manchmal ist er sogar böse, wenn ich sage, dass mir etwas nicht gefallen hat. Aber ich kenne mich aus. Ich lebe gewissermaßen mit seiner Musik.
Sie leben mit der Musik und haben deren Entwicklung mitgemacht, von seiner avantgardistischen Phase bis zu dem, was man heute eher als neo-romantisch bezeichnet, ein Begriff, den er selber nicht so sehr mag. Wie haben Sie diese Entwicklung miterlebt?
Ich glaube, das war eine natürliche Entwicklung. In Krakau hat man Ende der Fünfzigerjahre unglaublich viel zeitgenössische Musik gespielt. Und weil ich immer in die Konzerte ging, habe ich ihn und seine frühen Werke kennen gelernt. Als wir verheiratet waren, gingen wir nach Donaueschingen, manchmal auch nach Darmstadt. Das war nach dem Polnischen Musikwettbewerb, bei dem er alle drei Preise gewonnen hatte. Das öffnete ihm die Tore nach Westen. Werke wie ‘Fluorescences’, ‘Anaklasis’, später ‘Polymorphia’, aber auch ‘Threnos für die Opfer von Hiroshima’ waren damals sehr erfolgreich. Ich habe mit unglaublichem Interesse zugehört, wenn er über die Entwicklung und über seinen Weg gesprochen hat. Der große Wechsel kam mit der Lukas-Passion. Die Kritiker haben geschrieben: « Der Verräter der Avantgarde ». Aber für ihn war es eine Art Befreiung.
Wie ist es denn, wenn Sie als Frau von Krzysztof Penderecki an einer Uraufführung teilnehmen? Sind Sie dann aufgeregt, wie Publikum und Kritik reagieren werden?
Ja, ich bin dann schon etwas nervös. Sein Erfolg ist auch für mich wichtig. Mein Mann liest zwar keine Kritiken, aber ich glaube, jeder Künstler freut sich, wenn er über sein Werk oder seine Aufführung etwas Gutes hört. Ich schneide die Kritiken aus und bewahre sie auf. Und an meiner Laune kann Krzysztof dann herausfinden, ob die Kritik gut oder schlecht war. Gott sei Dank haben wir nicht alle den gleichen Geschmack, und jeder Kritiker kann schreiben, was er möchte, aber manchmal bin ich auch böse über eine schlechte Kritik, zumal wenn ich sie für ungerecht halte.
Haben Sie Lieblingswerke unter den Kompositionen Ihres Mannes?
Oh ja! Mein Lieblingswerk ist ‘Polymorphia’. Nach der Aufführung von ‘Polymorphia’ habe ich Krzysztof persönlich kennengelernt. Und dann die Lukas-Passion, ein in seiner Sprache unglaubliches Werk. Ganz sicher auch ‘Utrenja’, ‘Die Sieben Tore von Jerusalem’ und die beiden Violinkonzerte, von denen das erste für Isaac Stern komponiert wurde und das zweite, ‘Metamorphosen’, für Anne-Sophie Mutter. Ich glaube, er hat enormes Glück gehabt mit den großen Interpreten befreundet zu sein, mit Mstislav Rostropovich, mit Jean-Pierre Rampal, mit Arto Noras, heute auch mit jungen Künstlern wie Daniel Müller-Schott oder Danjulo Ishizaka. Aber auch mit einem Dirigenten wie Herbert von Karajan war er befreundet. Ich war auch damals bei der Aufführung von ‘Polymorphia’ dabei, als Karajan Krzysztof fragte: “Was kann ich verbessern?” Ich fand das sehr bewegend. Auch Eugene Ormandy sollte man nennen, der in seinen späten Jahren in Philadelphia unglaublich gute Interpretationen von ‘Utrenja’ gemacht hat.
Teilen Sie Krzystof Pendereckis Liebe zu den Bäumen, zum Wald?
Ja, ich liebe den Park und die Bäume, aber meine Liebe gilt zunächst dem Garten. Jemand muss sich schließlich um den Garten kümmern. Und das tut mein Mann nicht. Er geht gerne im Park spazieren. Ich glaube, die Liebe zu den Bäumen gibt ihm unglaublich viel Ruhe. Und er sagt immer: “Ich hoffe, meine Musik bleibt. Aber meine Bäume bleiben ganz sicher.” Das ist schon sehr wichtig für ihn. Seit über 40 Jahren entwirft er Park-Alleen und pflanzt Bäume. Gegenüber vom Park befindet sich das ‘Krzysztof Penderecki European Center for Music’ mit Konzertsälen, Proberäumen und einem ganzen Campus für über 100 Studenten und Professoren. Wenn die Studenten im Freien sitzen, sehen sie, was mein Mann außer Musik geschafft hat. Wir haben über 1.700 verschiedene Baumgattungen. Zuerst waren es 16 Hektar, dann 20 Hektar, und jetzt sind es 35! Ein wirklich großer, gepflegter Park!
Kommen wir zur Ludwig-van-Beethoven-Vereinigung, ihrem musikalisches Kind sozusagen. Wie kam es zur Gründung? Wieso hatten Sie die Idee zu dieser Vereinigung, die ja nicht nur das Festival macht, sondern auch rundherum mit Managerdiensten und Workshops und allen möglichen Initiativen das polnische und das internationale Musikleben bereichert.
Mein Mann war fast 10 Jahre lang Künstlerischer Leiter des ‘Casals Festival’ in San Juan, Puerto Rico. Damals, als er dieses Angebot bekam, bat er mich, ihm dabei zu helfen. Und das war für mich fast wie eine Schule. Und als ich 1996 auf den ehrenamtlichen Posten der Präsidentin von ‘Krakau Kulturhauptstadt Europas 2000’ berufen wurde, war ich verantwortlich für das ganze Programm. Das gebar in mir den Wunsch, mehr zu machen, etwas Eigenes zu gründen. Ich wollte ein Festival machen und rundherum noch andere Aktivitäten entwickeln. Ich wusste um die reiche Sammlung an Manuskripten in Krakau. Daher bin ich zum Rektor der Universität gegangen und habe gefragt, ob es möglich wäre, die Manuskripte im Rahmen eines Musikfestivals zu zeigen. Professor Koj, der damalige Rektor, fand die Idee großartig. Wir starteten mit einem kleinen Zuschuss der Beethoven-Freunde aus Bonn, die sich spontan zu dieser Unterstützung entschlossen, als ich ihnen von meiner Idee erzählte.
Rudolf Buchbinder war der erste Solist. Das Festival dauerte nur sechs Tage. Aber das Interesse des Publikums war enorm, sowohl für die Konzerte als auch für die Ausstellungen, wodurch das Ganze wachsen konnte. Und so ging es weiter bis zum siebten Festival in Krakau. Danach sind wir aus diversen Gründen nach Warschau umgezogen. Heute dauert das Festival zwei Wochen und bietet sehr viele Konzerte an. An vielen Tagen gibt es zwei Konzerte, symphonische Musik, Vokalmusik und Kammermusik. Rudolf Buchbinder ist immer noch dabei. Er kommt jedes Jahr.
So ein großes Festival, das ist doch sehr aufwändig?
Ich habe kein großes Büro. Mit mir sind es nur 9 Personen. Wir haben ein kleines Büro in Krakau und ein Büro in Warschau. Während des Festivals haben wir viele Studenten, die aushelfen. Sie kümmern sich um die Künstler. Die Betreuung, finde ich, ist bei einem Festival sehr wichtig. Das ist vielleicht etwas, was nicht jeder erwartet. Aber es ist besser, es ist einfacher, es macht einem Künstler mehr Freude und er kann auch ruhiger arbeiten, wenn für alles gesorgt ist. Und ich glaube, mein Festival ist bekannt dafür, dass mein ganzes Team für die Künstler da ist.
In ihrem Programm finden sich die größten Orchester, die bedeutendsten Dirigenten und Solisten, aber auch viele junge, noch nicht so bekannte Musiker.
Ja, die Unterstützung von jungen Künstlern ist mir ein großes Anliegen. Deswegen habe ich auch mein erstes Orchester gegründet, die ‘Sinfonietta Cracovia’, und dann, 2003, das zweite Orchester, das ‘Beethoven Akademie Orchester’, das sich aus den talentiertesten jungen polnischen Musikern zusammensetzt. Junge, unglaublich talentierte Musiker wissen wirklich oft nicht, was sie nach dem Studium machen sollen. Wir geben ihnen die Gelegenheit, aktiv zu werden, erste Erfahrungen zu sammeln. Es ist unglaublich wichtig, den jungen Künstlern zu helfen, ihnen zu zeigen, wie man seinen Weg gehen soll, ihnen Möglichkeiten zu geben, in guten Konzerten vor einem Publikum aufzutreten und ihnen so die nötige Promotion zu garantieren.