Josef Bulva

Wie Pizzicato am 19. August meldete, ist Josef Bulva, einer der außergewöhnlichsten Pianisten unserer Zeit am 12. August im Alter von 77 Jahren in seiner Wahlheimat Monaco gestorben. Heute veröffentlichen wir nun eine ausführliche Würdigung des luxemburgisch-tschechischen Pianisten.

Josef Bulva wurde am 9. Januar 1943 in Brünn, dem damaligen Reichsprotektorat Böhmen-Mähren, heutiges Tschechien, geboren. Schon früh zeigten sich seine intellektuelle Begabung und bald auch sein musikalisches Talent. Beides wurde vom Elternhaus sorgfältig gefördert. Bulvas Ausbildung zum Pianisten begann 1950 an der Musikschule von Napajedla, wohin seine Eltern umgesiedelt wurden. Die zunächst mäßigen Anfänge im Klavierspiel fanden dank der Begegnung mit Prof. Vaclav Lanka ein Ende. Er erfand für seinen Schützling eine genauso spektakuläre wie aberwitzige Studiumsmethode, die er mit entflammten Willenseifer, aber auch einer schier unglaublichen Disziplin des romantisierendes Kindes, gekonnt kombinierte. Das führte zum Erreichen von einer erstaunlichen Virtuosität und brachte ihm den Ruf des Wunderkindes ein. Mit 13 Jahren präsentierte sich Josef Bulva zum ersten Mal dem Publikum mit Klavierkonzerten von Mozart und Liszt und blendete mit Spitzenwerken der virtuosen Literatur, wie zum Beispiel den Brahmsschen Paganini-Variationen.

Josef Bulva

Seine Fähigkeiten und Leistungen blieben auch der Regierung der damaligen CSR nicht verborgen. Man nahm den jungen Pianisten aus der regulären Schule raus und schickte ihn auf das Konservatorium Kromeriz, Brünn und schließlich nach Bratislava wo er, gerade 17 1/2 Jahre jung, auf die Akademie der Künste aufgenommen wurde. Dort schloss er seine Ausbildung mit Auszeichnung und Rotem Diplom. Die darauffolgende ehrenvolle Ernennung zum Staatssolisten, war die logische Konsequenz der Einschätzung des jungen Stars, als ein willkommenes Aushängeschild der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik.

Die renommierte Position garantierte Josef Bulva nicht nur die Möglichkeit einer konzentrierten Arbeit an der Weiterentwicklung seiner künstlerischen Visionen und des Repertoires, sie schenkte ihm auch die permanente Chance zum Konzentrieren, was seine Podiumssicherheit als Solist entstehen ließ.

Seine rege Konzert- und Aufnahmefähigkeit bei Supraphon wurde 1971 durch einen schweren Unfall abrupt unterbrochen, dem ein fast einjähriger Aufenthalt im Krankenhaus folgte. Während dessen reifte in Bulva seine bereits ältere Erkenntnis aus, dass er in der geistigen Atmosphäre und der spirituellen Isolation der damaligen Tschechoslowakei seine künstlerischen Ideale nicht erreichen würde. Deshalb nützte er 1972 – wieder genesen – seine erste Auslandstournee als die Chance zur Emigration aus. Er wurde zum Staatsbürger des Großherzogtums Luxemburg und fand parallel in der heimlichen Musikhauptstadt Europas, München, seine zweite Heimat.

Von hier aus öffneten sich Josef Bulva die internationalen Konzertsäle sowie Rundfunk und Schallplattenstudios.

Josef Bulva
(c) RCA / Reto Klar

Im März 1996 stürzte Josef Bulva auf einer eisglatten Straße in angefrorene Glasscherben und verletzte dabei seine linke Hand so schwer, dass seine pianistische Laufbahn als beendet galt. Doch in seinem Kopf drehten sich die Partiturseiten, ohne, dass die Noten ihren Weg in die Hände finden konnten. Bulva, ohne Einkommen und mit einer in Luxemburg lebenden und auf ihn angewiesenen Mutter, wechselte das Metier, ging nach Monaco und arbeitete erfolgreich als Investment-Banker.

Fast zehn Jahre nach dem Unfall war der Wille, wieder Klavier zu spielen, so groß, dass er nach exzellenter Chirurgie und einer enormen Rekonvaleszenzleistung unter Anleitung von Prof. Beat Simmen aus Zürich seine alte Virtuosität wiedererlangte. Publikum und Presse reagierten begeistert.

Als seine erste Beethoven-CD Ende 2010 auf den Markt kam, schrieb ich in meiner Rezension: « Bulvas gleichwertige Hände bringen es immer wieder fertig, die feine Gegensätzlichkeit des Kolorits von links und rechts aufregend zur Geltung zu bringen, um so die Eindringlichkeit des Beethovenschen Klangs zu unterstreichen. Bei Bulva wird der Klavierklang dreidimensional, denn durch die Kontraste in der Dynamik und in den Farben glaubt man manchmal, man höre zwei Klaviere, wovon eines weiter entfernt stehe als das erste. Das wird etwa im ersten Satz der Mondscheinsonate sehr deutlich, die zu einem Juwel kompositorischer Architektur wird.

Im Juni 2013 war im Pizzicato folgendes zu lesen: « Auch nach unzähligen Stunden am Klavier entdeckt er immer noch Noten, deren wirkliche Bedeutung er noch nicht ganz ergründet zu haben glaubt. Dann setzt er wieder und wieder das Seziermessen an, denkt und probiert. Mit seiner scharfen Intelligenz und seinem Röntgenblick ist Bulva ein Pianist, vor dem am Ende wohl keine Partitur Geheimnisse bewahrt. Er ist ein Pianist, der über die Bedeutung, die Funktion und die Aussagekraft jeder Note nachdenkt und so den Zuhörer ebenfalls zum Nachdenken zwingt. Sein eminent pianistisches Spiel ist die Frucht eines pianistisch denkenden Geistes. » Remy Franck

Interviews mit Bulva lesen sie hier:

https://www.pizzicato.lu/josef-bulva-der-tunnel-war-lang-und-duster/

https://www.pizzicato.lu/josef-bulva-liszt-als-lebenswerk/

CD-Rezensionen

https://www.pizzicato.lu/josef-bulva-der-tunnel-war-lang-und-duster/

https://www.pizzicato.lu/bulvas-chopin/

https://www.pizzicato.lu/intellektuell-vorbereitet/

https://www.pizzicato.lu/veredelter-liszt/

https://www.pizzicato.lu/josef-bulva-der-unbestechliche-chirurg/

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