
2023 hat Walter Sutcliffe Händels Brockes-Passion in einer szenischen Aufführung in Halle auf die Bühne gebracht. Diese Aufführung gibt es nun auch als reine Tonaufnahme, nachdem schon eine Blu-ray Disc (Naxos 2.110755) im November letzten Jahres erschienen ist.
Die Tonaufnahme funktioniert aber auch hervorragend ohne Bild, denn die Interpretation sorgt für das nötige, packende Kopfkino.
Barthold Heinrich Brockes hat in seinem Passionslibretto einen findigen dramaturgischen Kniff angewandt, der eine szenische Darstellung geradezu herausfordert. Georg Friedrich Händel, als gewiefter Opernkomponist, hat dies perfekt genutzt, um daraus ein fesselndes Oratorium zu schreiben, das letztendlich mehr von Menschen spricht als von der eigentlichen Leidensgeschichte.
Dem Evangelisten als Erzähler stellt Brockes zwei Figuren zur Seite, die nicht im Bibeltext erscheinen: die Tochter Zion und die Gläubigen Seelen. Sie sind Betrachter und Kommentatoren des Geschehens und vor allem dessen, was die Passion mit den eigentlich handelnden Personen macht.
So erleben wir einen bangenden, fürchterlich leidenden Jesus, einen Mann, der um seine Bestimmung weiß und dennoch bis zuletzt mit ihr hadert. Wir schauen auf Judas, der an seinem Verrat innerlich zu Grunde geht; auf Petrus, untröstlich und verloren, nachdem er Jesus dreimal verleugnet hat.
Diesen Mikrokosmos stellen auch Michael Hofstetter und sein Ensemble in den Mittelpunkt ihrer musikalischen Gestaltung. Da werden Wut, Hoffnungslosigkeit, tiefste körperliche und seelische Qualen bloß gelegt, aber ebenso Zuversicht und die Aussicht auf Erlösung.
Dank der beeindruckenden stimmlichen Qualitäten sämtlicher Solisten und auch des Chores sowie der engagierten Spielart des Orchesters wirkt diese große Bandbreite an Emotionen immer authentisch. Sie packt den Zuhörer, zeigt ihm auf, wie schwach und leidensfähig der Mensch sein kann, wie wankend er auch in seinem Glauben sein kann – bis zum Schlusschor, der dann doch Hoffnung schafft.
In 2023, Walter Sutcliffe brought Handel’s Brockes Passion to the stage in a staged performance in Halle. This performance is now available as an audio-only recording, following the release of a Blu-ray disc – Naxos 2.110755 – last November. However, the recording works also well without the picture.
Barthold Heinrich Brockes used an ingenious dramaturgical trick in his libretto for the Passion, which practically calls for a staged performance. George Frideric Handel, a shrewd opera composer, used this perfectly to write a gripping oratorio that ultimately tells more about people than about the actual story of the Passion.
In addition to the Evangelist as narrator, Brockes places two characters who do not appear in the biblical text: the Daughter of Zion and the Faithful Souls. They are observers and commentators on the events and, above all, on the effect of the Passion on the people actually involved.
We see a Jesus who is anxious, who suffers terribly, a man who knows his destiny and yet struggles with it until the end. We see Judas, destroyed by his betrayal, and Peter, heartbroken and lost after denying Jesus three times.Michael Hofstetter and his ensemble also place this microcosm at the center of their musical interpretation. Anger, hopelessness and the deepest physical and mental pain are laid bare, but also confidence and the prospect of redemption.
Thanks to the impressive vocal qualities of all the soloists and the choir, as well as the committed playing of the orchestra, this wide range of emotions always comes across as authentic. It grips the listener, showing how weak and capable of suffering human beings can be, how wavering in their faith – until the final chorus, which gives hope.