Im Luxemburger ‘Cercle-Cité’ fand gestern vor einem nahezu ausverkauften Saal eine Aufführung der Operette ‘De Scholdschäin’ des Luxemburger Komponisten Dicks statt. Remy Franck berichtet.
Die Luxemburger Operette wird sträflich vernachlässigt, und kein Kulturminister hat in den letzten 50 Jahren einen Finger dafür gekrümmt.
Bestenfalls wurden die beiden Künstler unterstützt, die mit ihren bescheidenen Mitteln ein Maximum geleistet haben, um Luxemburger Operetten aufzuführen. Die Rede ist von den Sängern Yannchen Hoffmann und Carlo Hartmann, die auch für die Produktion des ‘Scholdschäin’ verantwortlich zeichneten und selber mitwirkten.
Der knapp eine Stunde dauernden Operette ging eine unterhaltsam-informative und vergnügliche musikalisch-historische Einführung voraus, in der der Dichter-Komponist Dicks vorgestellt wurde.
Dicks, mit richtigem Namen Edmond de la Fontaine, der zunächst als Rechtanwalt, dann als Richter, kurzfristig auch als Rentier und freier Schriftsteller arbeitete, gilt als Begründer des luxemburgischen Theaters. Die Erstaufführung des ‘Scholdschäin’ erfolgte 1855 im Cercle-Gebäude auf der ‘Place d’Armes’ in Luxemburg (also im alten Cercle, aber an der Stelle, wo die gestrige Aufführung stattfand). Danach schrieb Dicks weitere Stücke wie ‘De Koséng’, ‘D’Kirmesgäsch’t’, ‘D’Mumm Séis’, ‘Op der Juegd’ und ‘De Ramplassang’. Es handelte sich bei diesen Komödien meist um einaktige Singspiele oder Operetten, bei denen Dicks sowohl für den Text als auch für die Musik verantwortlich war.
Gestern wurde also ‘Der Scholdschäin’ gespielt, die erste Operette in Luxemburger Sprache.
De ‘Papschossel’, ein alter, schusseliger Buchbinder, ist an die Marréi verliebt und versucht ihre Mutter zwecks Einwilligung in die Hochzeit mit einem Schuldschein ihres verstorbenen Mannes zu erpressen, den er diesem nicht zurückgab, als er seine Schuld beglich. Mit Hilfe ihres Geliebten, dem Kaminfeger Néckel, entwendet das Mädchen den Schuldschein und kann den alten ‘Papschossel’ aufs Schiff schicken.
Die Rolle des ‘Papschossel’ hatte Bariton Carlo Hartmann übernommen, dem sie als Erzkomödiant natürlich wie auf den Leib geschrieben ist. Die Mutter wurde von Yannchen Hoffmann temperamentvoll gespielt und gesungen, während Al Ginter als Schornsteinfeger überzeugte. Absolut hinreißend war Stéphanie Schlink als Marréi. Sie spielte das junge Mädchen nicht nur wunderbar, sondern gab ihm auch mit ihrer soubrettenhaften Stimme den richtigen musikalischen Charakter.
Die musikalische Begleitung erfolgte durch eine große 69-ger Wittmann Drehorgel, was durchaus passend war. Die Aufführung war ein großartiger Erfolg und erntete beim Publikum viel Applaus.
Dieser Erfolg bedeutet aber mehr. Er birgt einen Auftrag an den nächsten Luxemburger Kulturminister. Die Luxemburger Operette muss, als Teil unseres Kulturguts, endlich auf die höchstmögliche Schiene gehoben werden. Nicht, dass ich den Einsatz der Truppe um Carlo Hartmann auch nur im geringsten unterschätzen will, aber m.E. müssen diese Operetten, da kaum Orchestermaterial überlebt hat, anständig orchestriert und dann mit höchstem künstlerischem Anspruch in aufwändigen Bühnenproduktionen dem Publikum vorgeführt werden und gleichzeitig auf Video und Audioträgern einem breiten Publikum im In- und Ausland zugänglich gemacht werden. Die Dicks-Operetten sind so gut wie viele Werke aus der Gattung der Wiener Operette.
Das ist, wie gesagt, ein Auftrag an den nächsten Kulturminister. Es wäre kriminell, wenn er nicht ausgeführt werden würde.