Ferruccio Busoni, der Komponist und Pianist, der sich so gerne an Bach rieb, schuf ein einziges Klavierkonzert, das 1904 mit ihm selber als Solist von den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Karl Muck uraufgeführt wurde. Das monumentale Werk mit fünf Sätzen und einer Spieldauer von 70 Minuten ist etwas wie ein Gebirge.Busoni selbst hat es ‘Wolkenkratzer-Konzert’ genannt, kaschierte jedoch damit nicht nur die Breite, sondern auch den philosophischen Hintergrund: immerhin endet das Klavierkonzert mit einem Schlusschor auf Verse aus Adam Gottlob Oehlenschlägers pantheistischem Erlösungsdrama ‘Aladdin’: « Hebt zu der ewigen Kraft Eure Herzen, fühlet Euch Allah nah, schaut seine Tat! ». Dieser Schlusschor für Männerstimmen mit der Überschrift ‘Cantico’ wurde als die spirituelle Keimzelle des ganzen Konzerts bezeichnet und gibt dem Werk einen episch breiten Charakter.
Ob nun Gebirge oder Wolkenkratzer, das Luzerner Sinfonieorchester unter Chefdirigent James Gaffigan und der Pianist Kun Woo Paik, mit Busoni-Musik bestens vertraut, haben in ihrem Konzert im KKL die Besteigung geschafft. Viel physische Arbeit wurde dabei geleistet, sowohl vom extrem virtuosen Solisten als auch von den Orchestermusikern, und James Gaffigan ist es hoch anzurechnen, dass er die Musik, die wohl ganz ohne Bombast nicht auskommt, doch sehr schlank und dynamisch gestaltete. So behielt sie ihren heroischen, im langsamen Satz auch sehr stimmungsvollen Charakter, aber das, was der Kritiker der ‘Täglichen-Rundschau’ bei der Uraufführung schrieb, « Lärm, noch mehr Lärm », wurde hier dank des klugen Disponierens des Dirigenten verhindert. Dabei entstand viel Bogenspannung, und die Kreativität des Komponisten zeigte sich ebenfalls sehr beeindruckend. Dass die Tarantella, das schnelle Scherzo ‘all’ italiana’, nach dem langen Andante auf den Zuhörer wie ein kräftig pulsierender Energizer wirkte, war ein Merkmal dieser Interpretation, die durchaus sinnvoll mit Effekt und Affekt arbeitete, um das wohl längste je komponierte Klavierkonzert dramaturgisch zu optimieren. Beeindruckend war neben dem hervorragend spielenden Orchester und dem brillianten Pianisten auch der aus dem ‘Ensemble Corund’ und ‘Männer molto cantabile’ gebildete Männerchor.
Begonnen hatte das Konzert ganz schlicht, mit Franz Schuberts Messe Nr. 2 G-Dur D. 167, die Gaffigan zupackend und ausdrucksvoll gestaltete, im Credo auch hoch dramatisch. Bemerkenswert waren die von der Akustik des KKL geförderte musikalische Transparenz und die wunderbare Balance zwischen dem Orchester und dem mit 22 Sängern besetzen Chor. Unter den Solisten gefielen neben Tenor Laurent Galabru vor allem die warmen und expressiven Stimmen von Gabriela Bürgler, Sopran, und Jonathan Sells, Bass.