Elbphilharmonie

In Hamburg wurde gestern das teuerste Konzerthaus Europas eingeweiht. 789 Millionen Euro hat es gekostet und wurde zum neuen Wahrzeichen der norddeutschen Hafenstadt. Alain Steffen war für Pizzicato bei den Feierlichkeiten dabei.

Endlich war es soweit. Am gestrigen Mittwoch wurde die vom Architektenbüro Herzog & de Meuron entworfene Hamburger Elbphilharmonie feierlich eröffnet. « Eine Einladung an die Welt“, wie es der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz bezeichnete. Mit ihren 10 Jahren Bauzeit, ihren Streitereien und Verhandlungen gehörte die Elbphilharmonie in der Hamburger HafenCity zu den Top 3 Problembaustellen in Deutschland, neben den Sorgenkindern ‘Berliner Flughafen’ und ‘Stuttgart 21′.

Ursprünglich waren die Kosten auf 70 Millionen Euro angesetzt, tatsächlich kostete das Prachtgebäude fast 800 Millionen. Doch am Eröffnungstag waren alle Streitigkeiten vergessen – das Haus sollte durch die wunderbare Akustik des Japaners Yasuhisa Toyota schließlich zu einem der besten Konzertsäle der Welt werden – und das Publikum durfte sich am ersten offiziellen Konzert im neuen Saal erfreuen. Nicht nur der liebevolle Spitzname Elphi deutet darauf hin, dass die Hamburger jetzt schon ihr neues Wahrzeichen ins Herz geschlossen haben, auch die Verkaufszahlen sprechen für sich, sind doch alle Konzerte bis Ende Spielzeit restlos ausverkauft.

Von den vielen Ehrengästen seien nur die Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Joachim Gauck, Bürgermeister Olaf Scholz, Dirigent Kent Nagano und der Komponist Peter Ruzicka  genannt. Demnach waren die Sicherheitsvorkehrungen hoch: ein großes und gutorganisiertes Polizeiaufgebot sorgte für einen reibungslosen Ablauf und wirkte sich beruhigend auf die ganze Eröffnungsatmosphäre aus. Eigentlich traurig, dass man so etwas heute immer wieder erwähnen muss.

Leider machen Krankheiten und Erkältungen vor so großen und wichtigen Veranstaltungen nicht halt. Tenor Jonas Kaufmann, die Sopranistin Anja Harteros, ihre Einspringerin Camilla Tilling und der Komponist Wolfgang Rihm mussten ihre Teilnahme an diesem Festkonzert absagen.

« Zum Raum wird hier die Zeit“, so lautete das Motto dieses ersten Konzerts im großen Saal der Elbphilharmonie. Bis zuletzt musste man sich gedulden, um das Eröffnungsprogramm zu erfahren. Dieses wurde von dem NDR Elbphilharmonie Orchester gespielt, wie das NDR-Symphonieorchester seit vergangenem Sommer offiziell heißt, das ab nun seine Residenz in der Elbphilharmonie hat. Am Pult stand Thomas Hengelbrock. Das Programm bestand aus einer musikalischen Reise durch vier Jahrhunderte. Neben dem Chor des Bayerischen Rundfunks und dem NDR Chor wirkten die Gesangssolisten Hanna-Elisabeth Müller, Wiebke Lehmkuhl, Philippe Jaroussky, Pavol Breslik und Bryn Terfel mit. Weitere Solisten waren Kalev Kuljus, Oboe, Margret Köll, Harfe, Ya-Oi Xie, Klavier und Thomas Bloch, Ondes Martenot.

Thomas Hengelbrock hatte für das Konzert ein interessantes und ungewöhnliches Programm zusammengestellt. Ohne Zwischenapplaus ging jedes Stück nahtlos in das folgende über. Im ersten Teil vermischte Hengebrock Werke von Britten (Pan für Solo-Oboe), Dutilleux (Mystère de l’instant), Cavalieri/Archilei (Dalle Piu Alte Sfere für Countertenor und Harfe), Zimmermann (Photoptosis) Praetorius (Quam Pulchra Es) Liebermann (Furioso) Caccini (Amarilli Mia Bella, für Countertenor und Harfe) und Messiaen (10. Satz aus der Turangalila-Symphonie) zu einer stimmigen „Symphonie der Zeit’.

Der zweite Teil begann mit dem Vorspiel zu Wagners Parsifal (1882), es folgten ohne Unterbrechung die Uraufführung von Wolfgang Rihms ‘Reminiszenz’, ein ‘Triptychon und Spruch in Memoriam Hans Henny Jahnn’ mit  Pavol Breslik, Tenor und Iveta Apkalna, Orgel, sowie der Finalsatz aus der 9. Symphonie von Ludwig van Beethoven.

Das Konzert überzeugte, genauso wie die Akustik.

Der große, als Rundbau angelegte Saal der Elbphilharmonie besticht durch eine enorm klare und differenzierte Akustik, die trotz allem recht kompakt und vor allem sehr direkt wirkt. Der Klang hat eine unheimliche Präsenz, er springt einem fast ans Ohr und erreicht dabei sehr schnell eine maximale Lautstärke. Die Piani klingen klar, die Dynamik ist recht forsch, lässt aber jedes Instrument resp. jede Instrumentengruppe sehr natürlich atmen. Der Nachhall ist erstaunlich kurz (knapp 1 Sekunde), der Gesamtklang eher weich und warm.

Allerdings kommen auch die von Hengelbrock geliebten scharfen und trockenen Akzente hervorragend zur Geltung, wie man es bei den drei Werken des Festakts (Beethovens Ouvertüre zu ‘Die Geschöpfe des Prometheus’, Mendelssohns ‘Ruy Blas-Ouvertüre’ und der 4. Satz aus Brahms‘ 2. Symphonie) feststellen konnte.

Abstriche wird man leider wohl bei den Stimmen machen müssen. Über die Hälfte des Publikums sitzt hinter dem Orchester oder seitlich davon. Vielleicht nur ein Drittel der 2.200 Sitzplätze erlaubt es den Zuschauern somit, dem Solisten direkt ins Gesicht zu sehen. Wenn auch der Gesamtklang hinter dem Orchester schon sensationell gut ist, so war der Sänger Pavol Breslik in der Rihm-Uraufführung von hinten kaum vernehmbar. Auch das Solistenquartett in Beethovens Ode an die Freude klang alles andere als ideal. Ich will mir nicht vorstellen, was hier bei einem Liederabend für bestimmt 1.200 Zuhörer an musikalischer Qualität und interpretatorischen Nuancen alles verlorengeht. Ansonsten hat man als Zuschauer den Eindruck, direkt am Musikgeschehen beteiligt zu sein. Tatsächlich ist kein Platz weiter als 30 Meter vom Dirigenten entfernt.

Am Ende des Konzerts gab es berechtigten Jubel, sowohl für eine makellose Interpretation wie auch für diese insgesamt doch herrliche Akustik.

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