Erst eine grundlegende Restaurierung förderte einen Schatz von historischem Wert zu Tage: die Welte-Philharmonie-Orgel des Luxusliners ‘Britannic’, dem Schwesterschiff der legendären ‘Titanic’. Im Museum für Musikautomaten in Seewen (Schweiz) hat man nun endlich Gewissheit über die Herkunft des Instrumentes, wenngleich es wohl nie an seinem ursprünglichen Bestimmungsort erklungen ist, denn im Gegensatz zum 1916 gesunkenen Schiff ist das Instrument (an Land) erhalten geblieben.
Ist die Orgel an sich schon eine Rarität, für den Orgelenthusiasten jedoch weitaus interessanter dürften die unzähligen Musikrollen sein, auf denen zu Beginn des 20. Jahrhunderts an der so genannten Welte-Philharmonie-Orgel das Spiel bekannter Persönlichkeiten der internationalen Orgelwelt aufgezeichnet worden sind. Und gerade die originalgetreuen Reproduktionsmöglichkeiten auf einem authentischen Instrument machen beides zusammen zu einem echten Unikat.
Die vorliegenden Doppel-CD ‘The Britannic Organ, Vol. 10’ widmet sich den deutschen Organisten des frühen 20. Jahrhunderts und ihrer Musik. Doch wie etliche der Organistennamen heute weitgehend vergessen sind, so sind auch die auf der ersten CD des Albums zu hörenden Kompositionen, mit Ausnahme von Reger, Karg-Elert oder Rheinberger, nur noch höchst selten auf Konzertprogrammen zu finden. Jedoch nicht so ganz zu Unrecht, fehlt dieser fast durchgehend von deutschem Schwermut durchdrungenen Musik doch fast gänzlich der Esprit und zuweilen auch die Leichtigkeit etwa der Franzosen. Zudem wirkt das im Deutschland des Cäcilianismus bis zum Exzess propagierte kontrapunktische Dahinwabbern auf Dauer sehr ermüdend.
Umso erfrischender dagegen kommt die zweite CD daher. Zwar scheint auf den ersten Blick Bach, Händel, Buxtehude, Lübeck und Pachelbel nicht die unbedingt geeignete Musik für eine Orgel zu sein, die klanglich einer Kinoorgel weit näher steht als dem erhabenen-würdevollen Sakralinstrument. Und doch gibt es hier viel über Musik und noch mehr über die unendlichen Möglichkeiten ihre Darstellung zu entdecken.
Zunächst mag einem da beim Hören der CD das heutige Spiel vieler Organisten, das dann gerne auch als historisch informiertes Spiel ‘verkauft’ wird, weitgehend uniform, zuweilen gar charakterlos und blass erscheinen. Hört man diese Aufnahmen mit Ramin, Sittard oder Matthaei, so entdeckt man doch wahrlich Erstaunliches. Weniger vielleicht in der Musik an sich, als vielmehr im Umgang mit ihr. Die Reproduktion von Musik, also das Hörbarmachen einer graphischen Notation wird erst dann zur Interpretation, wenn man künstlerisch kreativ an die Sache herangeht. Genau dies ist die wunderbare Entdeckung dieser Aufnahmen. Da mag so manches mitunter manieriert, gar allzu freizügig erscheinen, jedoch wecken die einzelnen Organisten gerade damit die Aufmerksamkeit des Zuhörers – ob man die Art der Interpretation nun mag oder nicht. So mag man diese Dokumente auch als Plädoyer an künstlerische Kreativität und Mut zum Andersmachen sehen. Mainstream eckt zwar nicht an, ist dafür aber – sofern er überhaupt wahrgenommen wird – schnell wieder vergessen. Doch eben dies will wahre Kunst nicht!
Even though the program of the first CD contains some not really exciting music, the second one is more interesting. Yet, compared to some of today’s historically informed performances, the interpretations one is able to hear on these CDs are astonishingly creative. So, at the end, the set is enriching.