Nach Ansteckungsfällen bei Chören in den USA, Amsterdam, aber auch in Bayern und Berlin hat der Bayerische Rundfunk für seine Klangkörper gemeinsam mit dem LMU Klinikum München und in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Erlangen (FAU) eine aufwändige Testreihe durchgeführt. Nun liegen erste Teilergebnisse der wissenschaftlich noch unveröffentlichten Studie vor, teilte der BR mit.
Darin legen die beteiligten Wissenschaftler dar, unter welchen Gegebenheiten sie – mit Blick auf Abstände der Sängerinnen und Sänger zueinander und auf die raumklimatischen Verhältnisse – das Singen in Corona-Zeiten für gesundheitlich verantwortbar halten.
Matthias Echternach, Leiter der Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie am LMU Klinikum München und selbst ausgebildeter Sänger, konzipierte gemeinsam mit Stefan Kniesburges, Strömungsmechaniker am Universitätsklinikum Erlangen (FAU), eine Studie, um die Abstrahlung und Verteilung sowohl von größeren Tröpfchen als auch von Kleinstpartikeln – den sogenannten Aerosolen – beim reinen Singen, beim Sprechen und beim Singen von Texten zu messen. Die Besonderheit: Im Gegensatz zu Studien, die sich auf Strömungsgeschwindigkeiten von Partikeln bezogen, wurden in diesen Versuchen die Ausbreitung und Verteilung der Tröpfchen und Aerosole im Raum näher untersucht.
Die Wissenschaftler bauten dazu im Studio 2 am BR-Standort Unterföhring zwei Versuchsanordnungen auf. In diesen beiden Settings ließen sie vom 20. bis 26. Mai 2020 jeweils zehn Probanden aus dem Chor des BR sowie zehn Bläser aus dem Symphonieorchester des BR nacheinander definierte Passagen in verschiedenen Lautstärken singen, sprechen und spielen. Die Datenauswertung zu den Messungen mit den Blasinstrumenten steht noch aus.
Das erste Setting bestand aus Hochgeschwindigkeitskameras und Laser-Equipment, womit die Streuung der größeren Tröpfchen untersucht werden konnte: Wie werden sie von Mund und Instrument abgestrahlt, bei welchen Sprech- oder Gesangspassagen wird die größte Menge an Tröpfchen erzeugt?
Im zweiten Setting wurde mit Kameras und Weißlicht gearbeitet, um zu analysieren, wie die noch winzigeren Aerosole Mund und Nase verlassen und wie sich diese in den Raum ausbreiten. Um die Verteilung dieser Kleinstpartikel sichtbar zu machen, inhalierten die Probanden eine Trägerlösung von E-Zigaretten, die dann bei und nach der Stimmgebung im hellen Licht sichtbar war.
Die Auswertung der Messungen über die abgestrahlten Aerosol-Wolken ergab: Zu ihren Kollegen nach vorne sollten die Chormitglieder einen größeren Abstand einhalten als zur Seite. Immer vorausgesetzt, dass der Raum permanent gelüftet wird und damit die Aerosole regelmäßig durch Frischluft entfernt werden. Besser wäre es zudem noch, wenn es zwischen den Sängern Trennwände gäbe.
« Wir haben nach vorne hin im Mittel Abstände von etwas weniger als einem Meter für den gesungenen Text gemessen, einige Sänger erreichten allerdings auch Weiten von 1 bis 1,5 Meter, so dass Sicherheitsabstände von 1,5 Metern wohl zu gering sind und Abstände von 2 bis 2,5 Meter sinnhafter erscheinen. Die Daten beziehen sich allerdings nur auf die direkte Ausbreitung durch den Eigenimpuls beim Singen. Für die Sicherheit der Sänger ist es aber wichtig, dass die Aerosole auch permanent aus dem Raum entfernt werden, damit diese sich nicht ansammeln“, sagt Matthias Echternach.
« Zur Seite hin fanden wir deutlich geringere Abstände als nach vorne, so dass die Abstände hier geringer gewählt werden könnten, etwa 1,5 Meter », so Stefan Kniesburges.
Tests mit Mundschutz ergaben, « dass wenn mit chirurgischen Masken gesungen wird, die großen Tröpfchen zwar komplett und die Aerosole zum Teil herausgefiltert werden, ein Teil der Aerosole aber leicht strahlartig nach oben und zur Seite austraten », so Kniesburges – weil die Masken an den Seiten und der Nase nicht vollständig dicht abschließen. Singen mit Maske, so die Erkenntnis, wäre durch die Verminderung der Partikelaustritte eine Option, aber nicht wirklich für Profichöre, « weil ich sehr gut artikulieren muss und jede kleinste Nuance von Klang natürlich brauche », so Echternach. Bei Kirchen- oder anderen Laienchören indes dürfte Singen mit Maske « schon einiges verhindern ».