‘Halka’ gilt als erste Nationaloper in Polen. Mit ihr hat Moniuszko eine Oper komponiert, die auf der Höhe der Frühromantik steht, die von Lortzing, Weber und von Rossini und Donizetti beeinflusst sein könnte. Halka bietet süffiges Melos der deutschen Romantik und glanzvolles Belcanto der italienischen Oper. Dazu tritt die dezidiert polnische Originalität, etwa in Form von polnisch anmutenden Tänzen wie Mazurka und Polonaise.
Erzählt wird die traurige Geschichte des Bauernmädchens Halka. Diese liebt den Adligen Janusz und erwartet ein Kind von ihm. Doch zu Beginn der Oper feiert Janusz standesgemäß Verlobung mit Zofia. Halka, begleitet und beschützt vom sie heimlich liebenden Jontek, platzt in die Feier, wird von Janusz vertröstet und muss schließlich einsehen, dass sie um ihre Liebe betrogen wurde. Sie plant zunächst einen Brandanschlag auf die Hochzeitgesellschaft in der Kirche, geht dann aber den Weg der Verzweiflung, indem sie den Freitod wählt: Sie ist ein geschundenes, betrogenes unschuldiges Opfer, das von der grausamen Gesellschaft in den Tod getrieben wurde.
Dieses Werk Moniuszkos, hier in der späten vieraktigen Fassung, ist neben der anderen Oper ‘Das Gespensterschloss’ sein bekanntestes Werk. Halka ist auch für ausländische Bühnen eine lohnenswerte Entdeckung und dramaturgisch wie vor allem musikalisch großartiges Musiktheater. Dass dieser Weg durchaus lohnenswert ist, hat Fabio Biondi mit den konzertanten Aufführungen beim Festival ‘Chopin und sein Europa’ bewiesen. Zum einen setzt er sein Ensemble ‘Europa Galante’ ein, das als Spezialist für Alte Musik auf zeitgenössischen Instrumenten spielt. Auch Biondi gehört zu den unermüdlichen Suchern, die den zunächst Barock gedachten Klangideen nun auch in die jüngere Vergangenheit ausdehnen, wie hier bei Halka oder zuvor bei Macbeth von Verdi. Zum anderen hat er eine italienische Fassung aus dem 19. Jahrhundert benutzt, die somit leichter international aufführbar ist. Und er hat, zumindest im Konzert, bewiesen, dass die Oper über die polnischen Grenzen hinaus übertragbar ist. Biondi entwickelte ein zusammenhängendes und interessantes Aufführungskonzept, mit dem er es eher als ein europäisches Werk denn als polnische Nationaloper versteht.
Zum Jubiläumsjahr, dem 200. Geburtstag des Komponisten, ist diese Neueinspielung neben der des ‘Gespensterschlosses’, höchst erfreulich gelungen. Das agil, aufmerksam und farbig spielende Orchester hat sich mühelos in diese andere Welt eingefunden und erobert die Partitur mit Bravour. Biondi hat auch hier Zügel in der Hand und ordnet die Stränge mit Fingerspitzengefühl, aber auch ordnendem Zugriff, so dass an pikanten Stellen die Stringenz gewahrt bleibt. Zur Seite stehen ihnen Violetta Bielecka und ihre Sänger. Dieser lokale Chor der Oper Podlasie zeigt große Klasse und beweist, dass er ein Aushängeschild der Vokalensembles in Polen ist. Dank ihm klingen die Chorszenen trotz der kleinen Besetzung ausdrucksstark und je nach Situation abgestuft.
Die Rolle der verlassenen Halka aus dem Hochland übernahm Tina Gorina. Sie ist eine spanische lyrische Sopranistin. Diese mag zunächst einen für polnische Ohren ungewohnten Ansatz pflegen. Aber diese Halka mit einer sehr natürlichen Sicht auf eine einfache, bescheidene Heldin, die meist auf intime Weise leidet, macht sie zu einer idealen Besetzung. Gorina zeigt große Präzision und Konsequenz bei der Gestaltung der Rolle, die die Probleme der Sängerin mit den tiefsten Klängen ausgleicht.
Als Jontek agiert Matheus Pompeu an ihrer Seite. Er führt seine Rolle im ausbalancierten Stil. Pompeu hat eine leichte und agile Stimme, die sich auf die Klangästhetik konzentriert, und der Ausdruck wird mit vokalen Mitteln erreicht. Sein Jontek ist ein trauriger Junge, der seine Trauer in Kantilene singt, womit er das Italienische herausholt und gleichzeitig das Polnische betont und damit den unglücklichen verliebten Hochländer verständlich macht.
In den weiteren Rollen müssen Monika Ledzion-Porczynska als Zofia, Robert Gierlach als Janusz und Rafal Siwek als Stolnik ein wenig mehr kämpfen. Das mag an der Umstellung in Sprache und Stil liegen, denn es ist schwierig, die gewohnte Interpretationslinie nach vielen Jahren des Hörens und Singens in Polen zu verlassen. Siwek präsentiert sich auf der Bühne mit Unschärfen sowohl in Bezug auf Diktion als auch auf Intonation. Ihn rettet der sonore Klang seiner Stimme. Robert Gierlach interpretiert unbedacht, mitunter unästhetisch. Karol Kozlowski als Mlodzieniec singt streckenweise mit zu viel Pathos und auch weitgehend unverständlich.