Wie kamen Sie zum Cello?
Die Musik war immer schon sehr präsent in meiner Familie. Meine Mutter war Sängerin und nahm mich von ganz klein auf in die Oper mit. Ich liebte die Musik, die großen Heldinnen, die Kostüme, die Perücken. Zu Hause verkleidete ich mich gerne in Dorabella oder Papagena. Als ich vier Jahre alt wurde, begann ich mit einer Klavier- und Gesangsausbildung. Mit sechs Jahren nahm mich mein Vater in eine Präsentation von Instrumenten mit, um mir die Möglichkeit zu geben, ein Instrument auszusuchen. Anscheinend habe ich ohne Zögern das Cello gewählt! Und es ist mir bis heute treu geblieben.
Was war die wichtigste Etappe in Ihrem Studium? Wer hat Sie am meisten beeinflusst?
In meiner Laufbahn war es mir möglich, in der Schweiz, in Frankreich und in Deutschland zu studieren… In Paris hatte ich das Glück, am CNSMDP bei Jérôme Pernoo ausgebildet zu werden, der auf musikalische Authentizität großen Wert legte und uns darauf hinwies, dass man heutzutage unternehmerisch, phantasievoll und kreativ sein muss, um seinen Weg im von starker Konkurrenz geprägten Milieu der klassischen Musik zu finden.
Ich habe dann Maria Kliegel kennengelernt, bei der ich sechs Jahre an der Musikhochschule Köln studiert habe. Diese Begegnung war für mich bestimmend! Die überaus anspruchsvolle Maria Kliegel konnte mir die erforderlichen technischen und künstlerischen Mittel zur Entfaltung meiner musikalischen Persönlichkeit geben. Bei meinen Projekten hat sie mich immer begleitet und unterstützt, während sie mich jedoch immer eigenverantwortlich arbeiten ließ. Sie hat mich gelehrt, die Kraft und Energie zu finden, über mich hinauszugehen. Sie hat mich auch dazu gebracht, meine eigene künstlerische Identität zu entwickeln. Durch ihre persönliche und künstlerische Ausstrahlung war und ist sie bis heute eine großartige Inspirationsquelle für mich.
Sie haben an etlichen Wettbewerben teilgenommen. Wie wichtig sind solche Wettbewerbe und ggf. Preise für Sie?
Natürlich haben die Preise, die ich gewonnen habe, mir geholfen, meine Karriere aufzubauen. Durch sie bin ich weitergekommen und sie haben mir sehr schöne Möglichkeiten verschafft, für die ich sehr dankbar bin! Aber abgesehen vom Ausgang eines Wettbewerbes glaube ich, dass das Wichtigste dabei eine vollkommene künstlerische Ehrlichkeit und ein gut entwickelter Sinn für Selbstkritik ist, um sich selbst beurteilen zu können. Im schwierigen Kontext der Wettbewerbe ist es nötig, sich selbst sicher gegenüberzutreten, wobei man offen genug sein muss, einen Aufschwung und Fortschritt auf dem eigenen Weg zuzulassen.
Sie spielen mit Orchester und auch Kammermusik. Wo sind Ihre Präferenzen?
Ja, ich spiele als Solistin mit Orchester, aber auch Kammermusik und solo. Diese drei Aktivitäten gehören für mich zusammen; sie bereichern sich gegenseitig.
Ein Orchesterkonzert zu spielen verlangt eine sehr genaue Vorbereitung, da die Bedingungen oft so sind, dass es nur sehr wenig Zeit für Proben gibt. Im Konzert entsteht eine positive Spannung und man wächst über sich hinaus, da die Emotionen zehnmal so hoch sind. Bei der Kammermusik geht es eher um die Gemeinsamkeit des Musizierens. Man kann sich abwechseln, dann spielt man wieder gemeinsam, was die Interpretation natürlich enorm bereichert. Solo zu spielen heißt, dass man eine größere Freiheit bei der Wahl der Musikstücke hat. Aber in allen Fällen ist das Wichtigste für mich, mit Musik kommunizieren zu können.
Seit 2015 sind Sie Mitglied des ‘Forum des 100’: 100 Persönlichkeiten, die die Zukunft der Schweiz vertreten. Was sind dabei Ihre Aufgaben? Wie wichtig ist so etwas für Sie?
Diese Auszeichnung wird Schweizer Persönlichkeiten aller Richtungen und aller Altersstufen verliehen, die ihre Aktivität auf höchstem Niveau entwickeln. Kreativität, Engagement, Innovation und Integrität sind wesentliche Werte, die belohnt werden. Unsere Pflicht ist es, sie in der Schweiz und im Ausland für eine attraktive Zukunft wirksam werden zu lassen. Wir haben einige Zusammenkünfte pro Jahr, bei denen politische, wissenschaftliche, wirtschaftliche, kulturelle… Themen diskutiert werden. Ich glaube, das Ziel dieses Forums ist es, einen Nachdenkprozess in Gang zu bringen, der ständig in Bewegung bleibt. Ich war sehr gerührt, dass meine Arbeit in diesem Maße anerkannt wird. Ich bin auch sehr glücklich, dass ich offenbar durch die Musik etwas zur Dynamik der Zukunft beitragen kann. Mit anderen Preisträgern in Kontakt zu treten ist auch sehr bereichernd. Das sind bemerkenswerte Persönlichkeiten, die durch ihre Kühnheit, ihre Authentizität, ihren Mut und ihren Optimismus inspirierend wirken.
Ihre erste CD für Solo Musica enthält Solo-Werke von J. S. Bach « und deren Reflexionen in ausgewähltem Repertoire zeitgenössischer Komponisten ». Können Sie uns Näheres zu diesem Konzept sagen?
‘Bach & Friends’ ist eine Klangreise zwischen Tradition und Moderne. Johann Sebastian Bach kann als der Vater der Musik für Solocello betrachtet werden.
Mit seinen sechs Tanzsuiten für Violoncello hat er einen Bezugspunkt geschaffen, auf den sich alle Cellisten irgendwann in ihrer Karriere beziehen müssen, ein Werk, mit dem sie sich früher oder später konfrontieren müssen, ein zutiefst menschliches Werk, dessen Offenheit, Eleganz und Schlichtheit jedem zu Herzen geht.
Wie hat nun dieses Meisterwerk die Komponisten im Laufe der Zeit beeinflusst? Wie wurden gewisse formale Festlegungen überwunden, um zur Musik unserer Zeit zu gelangen?
Dieses Projekt verändert in subtiler Weise den Blickwinkel des Zuhörers. Dieser unternimmt eine Reise in ein Land des Klanges, in dem die Komponisten, obwohl sie ihren individuellen und ganz und gar originellen Zugang vorführen, einander von ihren eigenen zeitgebundenen und kulturell definierten Territorien aus zu betrachten scheinen.
Die Musik von Johann Sebastian Bach dient hier als ‘Heimathafen’. Zwischen jedem Satz seiner Suiten für Solocello werden kurze Stücke von bedeutenden Komponisten des 20 und 21. Jahrhunderts eingeschoben.
Diese Pendelbewegung zwischen Tradition und Moderne verführt zu einer Reise ins Herz der Tonalität. Sie lässt den Zuhörer ihre Kraft und ihre fast körperliche Wirkung empfinden. Immer wenn man sich von der Tonalität entfernt, stellt sich Überraschung ein. Jedes Mal, wenn man zu ihr zurückkehrt, findet man zur angenehmen Sicherheit zurück. Wenn wir so nahe an die fundamentale Frage der Tonalität herangehen, ermöglichen wir dem Publikum, die zeitgenössische Musik ein Stück weit zu entdecken und vielleicht Vorurteile zu überwinden.
Diese Pendelbewegung ermöglicht es auch dem Publikum, untypische Übergänge zwischen den einzelnen Suiten von Bach wahrzunehmen. Diese Übergänge lenken den Blick auf gewisse Ähnlichkeiten zwischen Bachs Musik und zeitgenössischer Musik, indem rhythmische, melodische oder harmonische Elemente herausgearbeitet werden, die tatsächlich direkt Bachs Musik entlehnt sind. Ein andermal wieder schafft dieser Wechsel natürliche Brücken zwischen den verschiedenen Charakteren der Tänze von Bach.
Was bedeutet es für Sie eine Solo-CD zu machen?
‘Bach & Friends’ folgt auf die CD ‘Cantique’. Das war ein Projekt mit großem Symphonieorchester, das eine komplexe Infrastruktur bedingte. Es war eine tolle und bereichernde Erfahrung, aber ich hatte auch Lust, andere Eindrücke zu sammeln. Ich wollte mit einem leichteren, persönlicheren Projekt weitermachen. Eine Solo-CD macht sozusagen eine Innenschau möglich. Man ist mit sich selbst konfrontiert, von der Programmzusammenstellung bis zur Aufnahme! Und dabei lernt man viel…. über sich, über sein Spiel und über Werte, die man verteidigt.
Eine CD machen heißt auch eine CD verkaufen. Also Marketing! Wieso soll ein Käufer unter Hunderten von CDs, die ständig auf den Markt kommen, gerade Ihre kaufen?
Natürlich ist mir bewusst, dass es viele Cello-Einspielungen im Markt gibt, aber als junge Künstlerin denke ich, dass gerade meine Cello-Solo-Einspielung ‘Bach & Friends’ mit Werken von J.S.Bach und deren Reflexionen in ausgewähltem Repertoire zeitgenössischer Komponisten- einen aktuellen, programmatischen und musikalischen Anreiz für das interessierende Publikum bieten kann. Vielleicht auch für die Musik-Kritik?