Sir John Falstaff ist in dieser Inszenierung des Italieners Mario Martone an der Staatsoper unter den Linden in Berlin kein heruntergekommener Edelmann, sondern eine gealterte 68-er Figur, die sich im Graffiti-beschmierten Hinterhof der Panorama Bar herumtreibt, zwischen zwielichtigem Gesindel und Damen eines Freudenhauses. Ihm gegenüber steht der neureiche Ford, in dessen luxuriösem Haus mehrere Bilder der Oper spielen, mit einem Fitnessraum und einem richtigen Schwimmbad, in dem sich Mädchen tummeln. In diesem Umfeld lässt Martone seine Sänger drastisch spielen.
Michael Volle singt den Falstaff. Weil Martone ihm viel von seiner Figur genommen hast, nicht nur, was die Leibesfülle anbelangt, weiß man nicht so richtig, wen er denn nun eigentlich darstellen soll und was er als Ex-68er eigentlich erreichen will. Aber rein stimmlich gesehen macht Volle seine Sache nicht schlecht, auch wenn man ihn mit den großen Falstaff-Interpreten nicht vergleichen kann.
Daniela Barcellona ist eine sehr gute Mrs. Quickly, Katharina Kammerloher eine passende Meg Page. Auch Nadine Sierra kann als Nannetta gefallen. Der Fenton von Francesco Demuro ist temperamentvoll und passt wunderbar. Auch die übrigen Rollen sind gut besetzt.
Barenboims Dirigat ist breit im Tempo, aber das Spiel der Staatskapelle bleibt dennoch schlank und virtuos.
Insgesamt bietet diese Liveaufnahme also eine vergnügliche Opernparodie, die man, wenn man es nicht zu genau nimmt und weiß, wo die richtigen Werte sind, anschauen und anhören kann, ohne sich allzu viel zu ärgern.
In this production by Italian Mario Martone at the Staatsoper unter den Linden in Berlin, Sir John Falstaff is not a down-and-out nobleman but an aged ’68 figure who hangs out in the graffiti-covered backyard of the Panorama Bar, among shady riffraff and ladies of a brothel. Opposite him is the nouveau riche Ford, in whose luxurious house several pictures of the opera are set, with a gym and a real swimming pool where girls cavort. In this setting, Martone has his singers play drastically.
Michael Volle sings Falstaff. Because Martone has taken away much of his figure, not only in terms of corpulence, one doesn’t really know who he is supposed to be portraying and what he is actually trying to achieve as an ex-68. But from a purely vocal point of view Volle does not do a bad job, even if he cannot be compared with the great Falstaff interpreters.
Daniela Barcellona is a very good Mrs. Quickly, Katharina Kammerloher a pleasing Meg Page. Nadine Sierra can also please as Nannetta. Francesco Demuro’s Fenton is spirited and a wonderful fit. The other roles are also well cast.
Barenboim’s conducting is broad in tempo, yet the Staatskapelle’s playing remains lean and virtuosic.
Overall, then, this live recording offers an enjoyable operatic parody that, if you’re not too critical and know where the right values are, you can watch and listen to without fretting too much.