Der türkische Pianist und Komponist Fazil Say hat sich schon des Öfteren mit dem türkischen Regime angelegt. Auch seine Musik kann schon mal ganz schön politisch werden. Das gilt z.B. für seine musikalische Aufarbeitung der auf Geheiß Erdogans niedergeknüppelten Proteste zur Rettung des Gezi Parks in Istanbul im Jahre 2013.
Drei Werke hat er zu diesem Thema komponiert, das Konzert für 2 Klaviere und Orchester, die Sonate für Klavier solo und die Ballade vom Gezi Park für Sopran und Orchester.
Auf dieser CD erklingt das Doppelkonzert. Der erste Satz, der mit Abend überschrieben ist, schildert die Stimmung am 30. Mai 2013, als sich eine Menge friedlich demonstrierender Menschen im Gezi Park versammelt hatte, um die Platanen zu schützen. Im zweiten Teil, Nacht, wird Bezug genommen auf einen legendären Heiligen, der in ferner Zeit im persischen Khorasan ebenfalls einen Platanenwald verteidigt haben soll. Im dritten Teil, Polizei-Angriff, setzt die Polizei dem friedlichen Protestmeeting brutal ein jähes Ende, was die Musik außerordentlich drastisch schildert.
Das Konzert ist ein äußerst effektvolles und dramatisches Stück, in dem Say Elemente traditioneller türkischer Musik in einem neoromantischen Umfeld einbaut, das auf dieser CD spannungsvoll und brillant dargeboten wird.
Das durch Says Technik der mit der Hand angedrückten Saiten charakterisierte, im Grunde sehr romantische Stück Winter Morning in Istanbul eröffnet das Programm nicht weniger effektvoll und spannend. Abschließend erklingt Fazil Says erst 2018 entstandene Sonate für zwei Klaviere op. 80, die für Ferhan und Ferzan Önder komponiert und von ihnen im Januar 2019 uraufgeführt wurde. Das Werk hat drei Sätze ohne Tempobezeichnung und dauert knapp 20 Minuten. Da es keinerlei Textheft bei dieser CD gibt – ein klares Manko – und nirgends irgendwelche Angaben zu diesem neuen Werk zu finden sind, bleibt es dem Hörer überlassen, es zu deuten.
Der erste Satz ist drängend virtuos, mit einem ruhigeren Mittelteil, der von elektrisierender Spannung ist. Ist es eine Verfolgungsjagd, bei der sich der Verfolgte vorübergehend verstecken kann?
Der langsame Satz ist zugleich auch der längste der Sonate. Er ist lieblich und trotz einiger dunkler Wendungen eine Musik zarter Gefühle.
Das Finale ist etwas weniger bedrohlich als der erste Satz. Es beginnt schnell und endet mysteriös. Im Großen und Ganzen ist die Sonate effektvoll, spannend aber auch recht vordergründig. Das Duo Ferhan und Ferzan Önder spielt brillant.