Als Pianist, Kammermusiker und Komponist stellte sich gestern Abend im Kursaal von Bad Ragaz der 16-jährige Robert Neumann, Preisträger des ‘Discovery Award’ 2017 der ICMA, dem Publikum vor.
Sein Programm begann der ‘Artist in residence’ des Festivals ‘Next Generation’ mit Joseph Haydns Klaviersonate Hob. XVI: 34. Er spielte sie mit viel Frische und Impetus, sehr klug strukturiert und ausbalanciert. Ein kurzes Siciliano von Bach in der Transkription Antonio Vivaldis fungierte als Interludium vor der Fantasie op. 15, D. 760, der ‘Wandererfantasie’ von Franz Schubert. Robert Neumann präsentierte uns einen ungehaltenen, nervösen und rastlosen Wanderer, den er sehr effektvoll in Szene setzte, mit abrupten Beleuchtungsveränderungen, viel rhythmischer Energie und einer großen dynamischen Bandbreite. Es war der Wanderer eines 16-Jährigen, technisch absolut brillant gespielt, aber noch ohne die Tiefe und die besinnliche Expressivität, die sie seine Interpretation sicher eines Tages erlangen wird.
Der zweite Teil war der Kammermusik vorbehalten, mit zunächst dem Klaviertrio Nr. 1 op. 9 von Sergei Rachmaninov, das, genau wie das Zweite, ‘Elégiaque’ heißt. Das Trio Robert Neumann, Milena Wilke (Violine) und Lev Sivkov (Cello), spielte es mit packender Intensität, ohne übermäßig pathetisch zu werden und in die Karikatur abzugleiten. Schon der schwebende, nahezu mysteriöse Einstieg ließ die tiefe Leidenschaftlichkeit erahnen, welche die Zuhörer erwartete. Im Rachmaninov-Trio spielte sich vieles zwischen dem emotional agierenden Sivkov und der wunderbar lyrisch sich daran anschmiegenden Milena Wilke ab, während Neumann als Dritter spontan und oft sehr determiniert kommentierte. Das war kongeniales Musizieren bester Faktur, erregt und kommunikativ.
Und dann folgte etwas ganz Besonderes: die Uraufführung des Klaviertrios op. 13 von Robert Neumann. Das viersätzige, attacca gespielte Werk empfand ich als absolut hinreißend. Hier stellte sich gar nicht die Frage nach der Modernität – es war letztlich moderner als ich es erwartet hatte -, hier ging es um Aussage und Gehalt.
Aufbauend auf einem Antagonismus von Klavier und Streichern, durch den sich das Klavier eigentlich ständig als Störenfried zeigt, um ja keine Romanze zwischen Violine und Cello aufkommen zu lassen, entwickelt sich die Musik logisch aus sich selbst heraus. Ich will damit sagen, dass sie auf den Hörer vertraut wirkt, ohne im Geringsten epigonenhaft zu sein. Sie ist eher singulär eigenständig. Der Hörer kann durch den zwingenden Aufbau, die Kohärenz der Musik und die vorhersehbare Entwicklung teilhaben am Geschehen und es entsprechend unmittelbar miterleben. Zwischen Friedhofsatmosphäre und Hexentanz, zwischen einem verhinderten Dies Irae und abgetriebenen Liebesäußerungen bleibt viel Raum für phantasievolle Seitentriebe, fürs Unheimliche und Erdrückende, für eine schwarze Nacht mit funkelnden Sternen. Schaurig-schön der dann doch noch zum Positiven gewendete Schluss. Für mich war das ‘The Phantom of Bad Ragaz’, ein technisch wie kompositorisch anspruchsvolles Stück in einer hervorragenden Aufführung mit drei ebenbürtigen jungen Musikern!
Remy Franck (zurzeit Bad Ragaz)