Beim 6. Festival Palazzetto Bru Zane, das zurzeit in Paris stattfindet, steht u.a. auch eine Operette von André Messager auf dem Programm, ‘Les p’tites Michu’, die am 16. November 1897 im ‘Théâtre des Bouffes Parisiens’ erfolgreich uraufgeführt wurde und später auch in Wien, London und am Broadway in New York Erfolg hatte. Remy Franck berichtet von einem weiteren Erfolg.
Père Michu hatte zwar die Kinder nicht mit dem Bade ausgeschüttet, aber er wusste die beiden kleinen Mädchen nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Welches war sein Kind und welches das des Marquis d’If, der auf der Flucht vor den Revoluzzern sein Töchterchen dem Ehepaar Michu anvertraut hatte? Die Michus ziehen die beiden kurzerhand als Zwillinge auf, Marie-Blanche und Blanche-Marie. Doch als 17 Jahre später der Marquis als General der kaiserlichen Armee wieder auftaucht und beide Mädchen sich verlieben, bringt das etliche Komplikationen mit sich, ehe sich die ganze Geschichte in Wohlgefallen auflöst.
André Messager (1853-1929) hat für diese Operette nicht unbedingt die einfallsreichste Musik geschrieben, aber es gibt doch etliche quirlige Ensembles und emotionsgeladenen Duette.
Die Operntruppe ‘Les Brigands’ hat das Stück in eine zeitlos moderne Inszenierung gekleidet, die mit einem einzigen, durch Videoprojektionen belebten Bühnenbild einen reibungslosen Fluss von Handlung und Musik ergibt. Die langen gesprochenen Szenen verlangen von den Sängern auch ein großes schauspielerisches Können, und das hat der Regisseur Rémy Barché mit viel Detailfreudigkeit und spontanem Humor herausgearbeitet. Das enthusiastische Spiel aller Beteiligten ist für die Produktion ein deutlicher Gewinn, wobei sich Slapstick und raffinierter Humor zusammen mit Melancholie und Liebeskummer ideal die Waage halten. Brachés Personenführung ist von einer nicht zu übertreffenden Vielfalt und Vitalität.
Die beiden Schwestern wurden von Violette Polchi und Anne-Aurore Cochet gespielt. Die Mezzosopranistin Violette Polchi (Marie-Blanche) hat eine kräftige und doch weiche sowie agile, weitgestreckte Stimme mit einem angenehmen Timbre. Sie war sängerisch wie darstellerisch genau so überzeugend tadellos wie die Sopranistin Anne-Aurore Cochet (Blancher-Marie) mit ihrer feinen und exzellent geführten Stimme.
Das Ehepaar Michu lebte vom schauspielerischen Talent der beiden Darsteller Marie Lenormand und Damien Bigourdan. Sängerisch war Lenormand deutlich überlegen.
Philippe Estèphe sang den ersten Liebhaber, Gaston Rigaud, mit einer schön timbrierten und gut fokussierten Stimme. Der Marquis/General von Boris Grappe war mit einer brillanten Baritonstimme ein weiteres Atout der Besetzung.
Der franko-armenische Tenor Artavazd Sargsyan war als ebenso naiver wie verliebter Aristide ebenfalls eine Bereicherung der Produktion. Stimmlich sang er ganz bemerkenswert.
Caroline Meng war eine an Präsenz und Vitalität nicht zu überbietende Mademoiselle Herpin, und Romain Dayez vervollständigte die Besetzung mit einer gewollt komischen, um nicht zu sagen hysterischen Darstellung des Adjutanten Bagnolet.
Zusammengehalten und angetrieben wurde das Ganze von dem jungen Dirigenten Pierre Dumoussaud, der alle drei Akte ohne Partitur dirigierte und dabei mit einem äußerst präzisen und effektvollen Dirigat überzeugte. Dieser Musiker hat nicht ohne Grund den Ersten Preis beim Opern-Dirigierwettbewerb in Lüttich gewonnen. Seine Leistung ist als umso höher einzustufen, als er mit einer auf 12 Musiker reduzierten Instrumentalbegleitung viel Orchestrales herauszuholen verstand.
Das ‘Théâtre de l’Athénée‘ in Paris zeigt die Produktion noch bis zum 29. Juni.