Die Venezianische Schule war eine Strömung in der Musik der Renaissance und hatte von der Mitte des 16. bis ins 17. Jahrhundert hinein europaweite Auswirkungen. Als Begründer gilt der gebürtige Flame Adrian Willaert. Neben ihm gingen viele Landsleute nach Italien. Man kann vermuten, dass sie die neue Musikkultur als Mittler zwischen der anders gearteten keltischen und der auf dem Festland verbreiteten.
Diese Schule leistete bedeutende Beiträge zur Emanzipation instrumentaler Musik. Wichtig ist vor allem auch das Konzept des Musizierens im gesamten Raum durch die Entwicklung der Mehrchörigkeit. Stilistisch ist sie durch die Erkundung der Chromatik und das Abzielen auf starke Kontraste sowohl in der Dynamik als auch der Klangfarben ebenso gekennzeichnet wie durch die Verknüpfung von Wort und Musik.
Mehr als die Hälfte der auf dieser Aufnahme vertretenen Werke sind Ersteinspielungen, die mehrere Vertreter dieser Schule vorstellen. Neben dem Begründer Adrian Willaert sind dies Jacques Buus, Pietro Lupus und Cipriano de Rore.
Der Dirigent Marco Gemmani hat seinen Chor, die Capella Marciana und La Pifarescha, das Instrumentalensemble, versammelt, um diese Musik vorzustellen. In der Entstehungszeit dieser Werke wurden sie zwar für Singstimmen komponiert, mitunter aber auch durch Instrumentalstimmen gedoppelt oder sogar ersetzt. So passt die Einbeziehung des Orchesters durchaus ins Bild und schafft ein abwechslungsreiches Klangbild.
Mit ihren Interpretationen legen sie eine drängende Sicht vor, die die Musik vorantreibt. Wenn das Beiheft darauf hinweist, dass Willaert der Musik eine Verlangsamung angedeien ließ, um ihr so das Tempo zu geben, mit dem sich die räumliche Wirkung der Musik voll entfalten kann, so erschient das Vorgehen auf der Aufnahme dem eher zu widersprechen. Zwar wirkt die Musik nicht gehetzt, aber doch forciert. Davon abgesehen entwickeln die Beteiligten ein eindrucksvolles Bild dieser Musikepoche.