Wenn ich bei den 6 Cellosuiten von Bach die Wahl zwischen Tortelier, Rostropovich, Ma oder Florian Berner hätte, dann hätte letztere sicher genauso große Chancen, von mir ausgewählt zu werden. In der Tat ist heute bei vielen erstklassigen Cellisten ein großer Unterschied zu den legendären Interpreten von einst nicht mehr auszumachen. Florian Berner spielt einen Bach zum Hinknien. Sein Gefühl, sein Stil und vor allem sein wunderschöner, warmer Klang lassen Bachs Cello-Suiten im schönsten Klanggewand erscheinen. Auch begeistert hier eine resonanzstarke Basstönung, die einen quasi unendlichen Raum schafft. Berners Interpretation ist eher klassisch geprägt, geht nicht unbedingt neue Wege sondern nähert sich der Musik aus der Tradition heraus und liest sie recht musikantisch.
Die Phrasierungen sind großzügig, die Musik gewinnt durch die hörbare Freude, mit der Berner die Werke spielt, zugleich an Tiefe und Leichtigkeit. Jeder Ton, jede Note wird berücksichtigt, ausgekostet und in ein kohärentes Klangbild gesetzt. Diese Suiten wurden an zwei verschiedenen Orten aufgenommen: Die drei ersten in der kleinen toskanischen Kirche Chiesa si Santa Lorenza in Castagneto Carducci, die drei letzten im Johann Sebastian Bach-Saal in Köthen, also dort, wo die Sonaten 1720 entstanden. Man mag vielleicht Unterschiede am interpretatorischen Zugang hören – die ersten drei (aufgenommen im September 2020) erscheinen mir unbekümmerter, die drei letzten (aufgenommen im Januar und Februar 2023) werden kunstvoller gespielt.
Florian Berner gelingt jedenfalls mit seinen Interpretationen ein ganz großer Wurf. Und somit können wir diese Gesamtaufnahme nur empfehlen. Zudem ist Berners wunderschön klingendes Nicolo Gagliano-Cello (1815) sehr plastisch, räumlich und klangecht aufgenommen.
If I had the choice between Tortelier, Rostropovich, Ma or Florian Berner for Bach’s six cello suites, the latter would certainly have just as much chance of being chosen by me. Indeed, with many first-rate cellists today, it is impossible to tell much difference from the legendary performers of yore. Florian Berner plays a Bach to kneel down. His feeling, his style and above all his beautiful, warm sound let Bach’s cello suites become most beautiful. Also inspiring here is a resonant bass tone that creates a quasi-infinite space. Berner’s interpretation is more classically influenced, not necessarily breaking new ground but approaching the music from within the tradition and reading it quite musically.
The phrasing is generous, and the music gains both depth and lightness from the audible joy with which Berner plays the works. Every note, every note is considered, savored and set in a coherent sound picture. These suites were recorded in two different venues: The first three in the small Tuscan church Chiesa si Santa Lorenza in Castagneto Carducci, the last three in the Johann Sebastian Bach Hall in Köthen, the place where the sonatas were written in 1720. One might hear differences in interpretive approach – the first three (recorded in September 2020) seem to me more supple, the last three (recorded in January and February 2023) are played more artfully.
In any case, Florian Berner succeeds with his interpretations in a very big way. And thus, we can only recommend this complete recording. In addition, Berner’s beautifully sounding Nicolo Gagliano cello (1815) is recorded very vividly, spatially and true to sound.