Die beiden in Valencia geborenen Musiker, Francisco Coll, bekannt als Komponist, und Gustavo Gimeno, jetzt als Dirigent aktiv, haben ebenso einen engen langgepflegten guten Draht zueinander wie jeweils auch zu Patricia Kopatchinskaja, der Geigerin. So ist es wenig verwunderlich, wenn die drei, zusammen mit dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg, der Heimstatt des Dirigenten, diesem Komponisten ein vollgepacktes Album widmen.
Neben zwei Werken mit Patricia Kopatchinskaja erklingen drei reine Orchesterstücke. Dies reicht von Aqua Cinerea, da war Coll noch neunzehn Jahre jung, bis zum 2019 komponierten Violinkonzert. Nunmehr ist der Komponist Mittdreißiger. Das Konzert eröffnet auch die CD. Das andere Werk mit der Geigerin als Solistin sind die vier iberischen Miniaturen, die sich mit spanischen Tänzen wie Flamenco und Tango in einer Weise auseinandersetzt, die gedacht war, die klischeebeladene Maske zu entreißen und sich nun dem Hörer eher schmunzelnd bis komisch andient als die hintergründige Seite hervorzuheben. Aber es ist sehr hörenswert.
Alle Werke zeigen ganz klar, dass hier ein Komponist eine eigene Stimme hat und diese auch zum Ausdruck bringen kann. Das geschieht dadurch, dass er die Referenzen zu bekannten Strukturen, beispielsweise der dreisätzigen Form des Violinkonzerts mit dem langsamen Satz in der Mitte, übernimmt, aber immer mit aktuellen Ansätzen aufbereitet. Außerdem lebt seine Musik von der Gegenüberstellung von Gegensätzen, ohne deswegen Brüche zu formulieren. Seine Kompositionen entwickeln sich, so dass keine Eintönigkeit aufkommt und Zieleinläufe hörbar werden. Sie machen aber auch deutlich, dass sie wie andere Kompositionen der Zeit natürlich atonal und kantig und geschickt instrumental ausstaffiert gestaltet sind. Insofern tragen sie auch Elemente eines Zeitgeistes bzw. einer Verwechselbarkeit.
Aus der Freundschaft und Zusammenarbeit mit Kopatschinskaja sind nun mindestens fünf Werke entstanden, so dass die Geigerin in gewisser Weise eine wichtige Muse für den Komponisten war und vielleicht noch bleibt. Mit sparsamer Orchestrierung und dramatischem Sinn für den Aufbau bietet das Konzert der Geigerin ein lohnendes Bestätigungsfeld, um ihre stupenden Geigenkünste vorführen zu können. In den Miniaturen darf sie ihren eigene Humor mit dem komponierten verbinden und so ein weiteres Element ihrer Bestätigung ausdrücken. In beiden Stücken gelingen ihr ebenso hochintensive wie verspielt lockere Darbietungen, die durch ihre Nähe zum Komponisten und den Werken diese erstrahlen lassen. Wie immer bei ihr biete sie großes, das meint auch gehaltvolles Theater.
Das Luxemburger Orchester hat sich von dem Interesse für den Komponisten anstecken lassen und setzt die Musik exzellent um. In Hidd’n Blue gestalten sie eine formverändernde Komposition, bei der schroffe Figuren konfrontativ aufeinander treffen, dabei aber ein Muster bilden, das dann abrupt endet. Das fünfsätzige und damit symphoniehafte Mural ähnelt dem sehr. Trotz der merkbaren Unterschiede zwischen beiden Stücken könnte man es auch als Fortsetzung hören, was die Koppelung auf der CD fast nahelegt.
Das frühe Aqua Cinerea, Colls Op. 1, zeigt typische frühe Kennzeichen eines heranreifenden Komponisten: Er war schon er selbst, experimentierte, konnte das aber noch nicht so gezielt umsetzen wie in späteren Umsetzungen. In der Stimmung ist es angenehm mysteriöser und grüblerischer und weniger kantig.
Alle ausführenden Beteiligten haben die Musik dieses jungen Komponisten, der als bisher einziger Schüler von Thomas Ádes gezählt wird, ihre volle Aufmerksamkeit und Zuwendung gegeben und so ein hochklassiges Porträt geschaffen, dass sich mehr als hören lässt, zumal die Schreibweise von Coll sowohl Ausführenden als auch Zuhörern den Zugang erleichtert. Aber es bleibt eben auch der Gedanke, dass man die Musik mag. Aber reicht es für mehr als Flirt, für eine Liebe?
The two Valencia-born musicians, Francisco Coll, known as a composer, and Gustavo Gimeno, now active as a conductor, have as much a close long-standing good relationship with each other as they do with Patricia Kopatchinskaja, the violinist. So it is hardly surprising when the three of them, together with the Orchestre Philharmonique du Luxembourg dedicate a packed album to this composer.
In addition to two works with Kopatchinskaja, three purely orchestral pieces are heard. This ranges from Aqua Cinerea, when Coll was still nineteen years young, to the Violin Concerto composed in 2019. Now the composer is in his mid-thirties. The concerto also opens the CD. The other work with the violinist as soloist is the Four Iberian Miniatures, which deals with Spanish dances such as flamenco and tango in a way that was meant to strip away the cliché-laden mask and now offers itself to the listener more smirkingly to comically than to highlight the enigmatic side. But it is well worth listening to.
All works clearly show that here a composer has his own voice and can express it. He does this by taking references to familiar structures, such as the three-movement form of the violin concerto with the slow movement in the middle, but always reworking them with contemporary approaches. Moreover, his music lives from the juxtaposition of opposites, without formulating breaks because of it. His compositions develop, so that no monotony arises and finishes become audible. However, they also make it clear that, like other compositions of the time, they are naturally atonal and angular and cleverly instrumentally decorated. In this respect, they also bear elements of a zeitgeist, or rather, of confusion.
The friendship and collaboration with Kopatchinskaja has now resulted in at least five works, so in some ways the violinist has been, and perhaps remains, an important muse for the composer. With spare orchestration and a dramatic sense of structure, the concerto offers the violinist a rewarding confirmation field to show off her stupendous violin skills. In the miniatures, she is allowed to combine her own humor with the composed one, expressing another element of her affirmation. In both pieces, she succeeds in giving performances that are as highly intense as they are playfully relaxed, allowing them to shine through her closeness to the composer and the works. As always with her, she offers great theater, which also means substantial theater.
The Luxembourg Philharmonic has been infected by the interest in the composer and performs the music excellently. In Hidd’n Blue, they create a shape-shifting composition in which jagged figures clash confrontationally, forming a pattern that then ends abruptly. The five-movement and thus symphonic Mural closely resembles this. Despite the noticeable differences between the two pieces, it could also be heard as a sequel, which the pairing on the CD almost suggests.
The early Aqua Cinerea, Coll’s Op. 1, shows typical early hallmarks of a maturing composer: he was already himself, experimenting, but not yet able to do so as purposefully as in later realizations. In mood it is pleasantly more mysterious and brooding and less angular.
All the performers have given their full attention and care to the music of this young composer, who is counted as the only pupil of Thomas Ádes to date, creating a high-class portrait that is more than worth listening to, especially since Coll’s writing makes it easier for both performers and listeners to access. But one is left with the thought that one likes the music. But is it enough for more than flirtation, for a love?