Vinnitskaya, Grosvernor, Moser, Borowiak…einmal persönlich, dreimal generalistisch banal, und jetzt Jarnach: ‘Gaspard de la Nuit’ als Nachtstücke, nahe an den Texten des französischen Romantikers Aloysius Bertrand (1807-1847), deren alptraumhaften Charakter Maurice Ravel in seiner Musik impressionistisch äußert, die von den meisten Pianisten bloß für effektvolles Musizieren benutzt wird. Die wenigstens haben den fantastischen Charakter der Musik so packend herausgearbeitet wie Lucy Jarnach. Das ist kein bloß recherchiertes Interpretieren, mit dem die Pianisten auffallen will, das ist eminent pianistische Kunst, die Kunst des ‘In Farbe Klangmalens’, die Kunst der Dynamik-Dramatik. Wer so am Klavier gestalten, wer so suggestiv spielen und den Hörer so in den Bann schlagen kann, der ist ein Ausnahmemusiker. Phänomenal!
Eine großartige Entdeckung sind die ‘Drei Klavierstücke’ von Philipp Jarnach (1892-1982), dem Großvater der Pianistin. Dieses Opus 17, 1924 entstanden, enthält zwei eher düstere Stücke von eigenwilliger Rhythmik und eine noch eigenwilligere Burleske. In ihrer perkussiven Art ist diese Musik ein logischer Vorläufer von Bartoks zwei Jahre später entstandenem Zyklus ‘Im Freien’, den Bartok als eine verschlüsselte Hommage an die Natur ansah, die er so sehr liebte, die ihm immer wieder half, sich körperlich wie geistig zu erholen und die bei ihm – er hatte sie ja auf seinen Volksmusik-Streifzügen in ihrer ganzen Vielfalt kennen gelernt – die unterschiedlichsten Eindrücke hinterließ und ihm starke Erinnerungen aufzwang. Diese Erinnerungserlebnisse setzt Lucy Jarnach in hoch dramatischer und packender Form um, macht sie in einer unmittelbaren Verbindung zwischen Klang und Erinnerung auch physisch erfahrbar in all der Energie, die aus Bartok strömt, der vor den 1926 komponierten Stücken 1925 gar nichts und in den Jahren zuvor wenig komponiert hatte. Diese Energie des Wiederbeginns ist ebenfalls in Lucy Jarnachs Interpretation vollauf spürbar.
Und so haben wir es in diesem Parcours von 1908-1926 mit einem starken Programm zu tun, das in starken Interpretationen in seiner ganzen Ausdruckskraft zu einem musikalischen 1A- Erlebnis wird.
Discover this young German pianist: she obviously has a lot to say in her very personal performances. She immerges deeply in Ravel’s fantastic music, proposes three works by her grandfather Philipp Jarnach and delivers finally a striking version of Bartok’s ‘Im Freien’.
Si découvrir encore une autre jeune pianiste vous lasse, allez-y tout de même. Cela vaut le coup. Lucy Jarnach a beaucoup à dire et vous surprendra par une version sombrement fantastique de ‘Gaspard de la Nuit’.
Gedanken zum Film « Im Freien » von der Pianistin Lucy Jarnach
Mit meinem Film « Im Freien » möchte ich thematisch einen Zusammenhang zum titelgebenden Werk von Béla Bartók auf meiner CD herstellen und gleichzeitig eine kleine szenische Geschichte über den Weg ins Freie erzählen.
Als Béla Bartók 1926 den Zyklus schrieb, gingen dem Jahre des Kampfes um Anerkennung seines musikalischen Schaffens voraus. In den Jahren von 1905-1916 gab er das Komponieren fast ganz auf und widmete sich seinen musikethnologischen Studien. Seine Forschungsreisen führten ihn über den ganzen Balkan bis nach Algerien und später in die Türkei. Die Aufzeichnung der Volksmusik dieser Länder, hat seine Klangsprache maßgeblich geprägt.
Der Film « Im Freien » deutet in seiner kurzen szenischen Handlung die Geschichte des Interpreten an, der ebenso aufbrechen muss, um einer Musik erst folgen zu können. Die Widerstände, denen er dabei ausgesetzt ist, stellen seine Auseinandersetzung mit dem Werk dar.
Folgen, verlieren, suchen und schließlich wiederfinden.
Die Musik selbst offenbart sich dabei dem Künstler in einzelnen Puzzleteilen, lässt sich zusammenfügen und löst sich ebenso wieder auf. Ein Gegenstand fortwährender Entwicklung. Am Ende verliert das Musikstück sich im Freien (oder auch Unendlichen) und dem Interpreten bleibt nichts anderes übrig, als zu seinem Publikum zurückzukehren, um seine Eindrücke und Erkenntnisse, die er auf seinem Weg gesammelt hat, zu teilen. Den Noten, denen ich dabei hinterherjage sind freilich keine anderen, als das Musikstück, das ich für den Film verwendet habe: « Mit Trommeln und Pfeifen » von Béla Bartók.