Im Juni feiert die Musikwelt den 125. Geburtstag von Erwin Schulhoff. Capriccio läutet das Schulhoff-Jahr mit sechs CDs ein, die aus vorhandenen Aufnahmen zusammengestellt sind und einen guten Überblick über Stile und Zeiten von Schulhoffs Schaffen bieten, wobei etwa die Bühnenmusik außen vor bleibt.
Schulhoff, aus Prag stammend, studierte vornehmlich in Berlin und Köln. Das Leben verschlug ihn dann auch nach Dresden, Saarbrücken, wieder Berlin sowie Ostrau und Prag, bevor er 1942 im Internierungslager Wülzburg in Weißensee, Bayern, an einer Lungenentzündung starb. Die unterschiedlichen Stationen und das gesellschaftliche Umfeld hatten Einfluss auf sein Werk.
Finden sich in der Kölner Zeit noch Anklänge an Mahler und Strauss, so sind woanders Bezugnahmen auf die Klassik wie bei der ersten Symphonie, auf Dadaismus, Expressionismus als auch deutliche Jazzspuren wie in der zweiten Symphonie zu verzeichnen. In seinem letzten Lebensjahrzehnt beherrscht der Kommunismus sein Denken. Seine Kompositionen bekommen einen konstruktivistischen Charakter. In dem ‘Concerto doppio’ und in dem ‘Konzert für Streichquartett und Blasorchester’ stellt er deutlich die barocke Form heraus, kombiniert sie beim letztgenannten Werk aber mit quasi umgekehrten Klangverhältnissen zwischen Solisten und Orchester, was den Effekt des Unerhörten hat. Starke Bezüge zur Jetztzeit der Entstehung zeigt die Suite mit Sätzen im Stil zur Tanzmusik der Epoche, also etwa Ragtime, Shimmy und Tango.
Die Streicherkammermusik eröffnet wieder neue Aspekte. Während die Quartette bewusst in der klassischen Sonatensatzform verfasst sind, haben die fünf Stücke freie Form und bringen neben Tänzen die osteuropäische Musik seiner Heimat zum Klingen.
Die solo Klaviermusik zeigt wiederum auch neue Merkmale. Die kleinen Werke basieren vorwiegend auf Tanzrhythmen, während die Sonaten wieder klassische Formmodelle nutzen, aber eigenwillig. So verwendet er in der Passacaglia der ersten Sonate ein zwölftöniges Thema, in der dritten Sonate dreht er die Folge der beiden Themen gegenüber dem überlieferten Muster um.
Die beiden Symphonien und die Suite sind bei James Conlon mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in mehr als versierten Händen, da dieses Orchester über eine große Expertise in der Gestaltung moderner Musik verfügt. Alle drei Werke blühen auf und zeigen die Vielseitigkeit und handwerkliche Güte von Schulhoff. Die Konzerte finden im ‘Deutschen Symphonie-Orchester Berlin’ unter Roland Kluttig ebenfalls ausgezeichnete Interpreten, die den Werken den spritzigen Odem einhauchen, der sie funkeln lässt. Die Solisten, Zichner am Klavier, Zoon mit der Flöte und das ohnehin herausragende ‘Leipziger Streichquartett’ sind die adäquaten Protagonisten, um diesen zwischen Historie und Gegenwart changierenden Ton eindrucksvoll auszureizen.
Das ‘Petersen Quartett’ und Freunde haben die Kammermusik für Streicher sicher im Griff. Ihre an den Ausgestaltungen der Werke orientierte Herangehensweise zeigt sowohl die strukturellen als auch tänzerischen Momente in frischen einnehmenden Deutungen auf.
Die Klaviersolowerke hat Margarete Babinsky eingespielt, die sich bei den Ironien der Unterstützung von Maria Lettberg versichert. Bei den Jazzimprovisationen spielt Andreas Wykydal am zweiten Klavier den anderen Part zu.
Alle Stücke werden in technisch versierten Darstellungen angeboten. Einige verlocken unmittelbar mit schmissigem Spiel, mit den Fingern mit zu schnippen. Andere wirken vielleicht ein wenig trocken, aber das ist auch in der Musik angelegt.